Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Es ist vorbei

Viel kann bei den TTIP-Beratungen nicht mehr verhandelt werden. Denn selbst die Industrie hat kein Interesse an Veränderungen des Status quo.

Nicht nur die Zombie-Kundgebung der Piratenpartei hat Einwände gegen das TTIP Bild: imago/future image

Das Freihandelsabkommen TTIP hat keine Chance. Es ist gescheitert, noch während es verhandelt wird. Denn es mehren sich nicht nur die externen Kritiker, zu denen selbst die katholische Kirche zählt. TTIP scheitert auch an seinen offiziellen Fans in der Industrie.

Die Chemiebranche ist dafür typisch. Über sie wird faktisch nicht mehr verhandelt, weil sich Amerikaner und Europäer nicht über die fundamentale Frage verständigen können, was man als Risiko definiert.

Diese Kulturunterschiede zeigen sich auch in der Landwirtschaft. Handelskommissar De Gucht verspricht in jedem Interview, dass das Chlorhühnchen nicht kommen wird. In der Tat. Kein Chlorhühnchen wird jemals den europäischen Kontinent erreichen. Dies hat aber weniger mit De Gucht zu tun – als mit dem leidenschaftlichen Widerstand der europäischen Geflügelzüchter.

Es sind also nicht nur Attac-Aktivisten, die TTIP kritisieren. Es mehren sich die industriellen Bedenkenträger in jeder Branche, denen auffällt, dass sie mit dem Status quo bestens leben können und sie kein Abkommen mit neuen Standards brauchen. Der Handel floriert auch so.

Die fünfte Runde der geheimen TTIP-Verhandlungen läuft vom 19.-23. Mai in Washington. Der Bundesverband der deutschen Industrie plädiert aus diesem Anlass für einen weiteren Abbau der Zollschranken zwischen der USA und der EU. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte wiederholt, dass sie voll hinter dem Freihandelsabkommen stehe, zuletzt auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg am 17. Mai.

Erhellend ist auch die Position der IG Metall, deren Chef Detlef Wetzel gegen das Freihandelsabkommen ist. Dies kann nur bedeuten: TTIP ist nicht wichtig für die deutsche Automobilindustrie. Sonst wäre die IG Metall garantiert dafür, weil sie die Interessen der deutschen Exportindustrie nie ignoriert – sie lebt davon.

Die Automobilindustrie ist aber die zentrale Branche, mit der stets wieder erklärt wird, warum TTIP ein Segen sein soll. Nach dem Motto: Dann gibt es endlich transatlantisch einheitliche Blinker, die bisher noch in Orange (EU) und Rot (USA) leuchten. Wenn sich aber selbst die Autokonzerne nicht besonders für Blinker interessiert – wer soll es dann tun?

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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