David Camerons Kampf mit der EU: Als die Sonne nie unterging

Der britische Premier Cameron will Jean-Claude Juncker nicht als EU-Kommissionspräsident. Doch er wird ihn nicht verhindern können. Was treibt ihn?

Getrieben von Angst? David Cameron. Bild: reuters

Er mag ihn immer noch nicht. Aber langsam dämmert es dem britischen Premierminister David Cameron, dass er den Luxemburger Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident nicht verhindern kann.

Cameron hat Angst. Er lässt sich von den Rechtspopulisten der United Kingdom Independence Party (Ukip) und seinen eigenen europafeindlichen Hinterbänklern in eine immer extremere Ecke manövrieren. Dabei hat er zumindest bei Parlamentswahlen von Ukip wenig zu befürchten, die Partei wird auch nach dem Urnengang im nächsten Jahr keine Rolle im Unterhaus spielen. Aber Camerons Herumgeeiere wirkt sich auf die Stimmung in der Bevölkerung aus. Wenn er Stärke gegenüber der EU demonstrieren will, wird das schnell zum Bumerang, wie die Europawahlen gezeigt haben. Auf diesem Gebiet trauen die Wähler Ukip offenbar mehr.

Spiegel Online schreibt: „David Cameron ist ein kranker Mann. Das Aufwachsen in britischen Elite-Internaten seit seinem siebten Lebensjahr hat ihm soziale Inkompetenz (...), emotionale Unreife und einen wackligen moralischen Kompass verpasst.“ Laut Untersuchungen von Psychotherapeuten und Erziehungsexperten haben Internatsschüler „eine elitäre Anspruchshaltung verinnerlicht und reagierten auf Widerstand mit kalter Überheblichkeit“. Wirklich wohl fühlen sie sich laut der Untersuchung nur unter ihresgleichen – also unter Männern aus privilegiertem Elternhaus. Ist dieses ganze Gezerre am Ende der Kampf eines Mannes mit „Internats-Syndrom“ – auf der Suche nach Anschluss?

Cameron steht mit seiner Ablehnung von Juncker jedenfalls keineswegs alleine in Großbritannien da. Die Opposition, die Medien, die Wirtschaft – alle wollen den Luxemburger verhindern. Der Boulevard-Schmutzkübel Sun bezeichnete ihn sogar als „gefährlichsten Mann in Europa“ und beschimpfte ihn als „Sohn eines Nazis“. Am Ende werden die Briten ihn akzeptieren müssen, aber dafür werden sie einige Zugeständnisse herausholen. Wahrscheinlich werden Juncker eine Reihe britischer Beamter an die Seite gestellt, vielleicht gibt es auch einen britischen Superkommissar.

Es wird Cameron schwer fallen, das zu Hause als Sieg zu verkaufen, dafür hat er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Er hat bei seiner Europapolitik von Anfang an Fehler gemacht. Mit seinem Versprechen, bis Ende 2017 ein Referendum über Großbritanniens Verbleib in der EU abzuhalten, hoffte er, das Thema vorerst auf Eis gelegt zu haben. Das war ein Irrtum. Je mehr man der Ukip anbietet, desto mehr verlangen sie.

Und dann ist da noch die Geschichte. Viele träumen noch vom Weltreich, in dem die Sonne nie unterging. Auch Cameron glaubt vermutlich, dass die EU ohne Großbritannien zum Scheitern verurteilt sei. Es ist ein bisschen wie beim Fußball: Vor jedem großen Turnier schrauben die Fans und die Medien die Erwartungen so hoch, dass diese in keinem realistischen Verhältnis zum Leistungsvermögen der Mannschaft stehen. Cameron will eigentlich nicht aus der EU austreten, das hat er deutlich gesagt. Doch die Art, wie er sich herumschieben lässt, deutet darauf hin, dass er am Ende selbst für den Austritt stimmt.

Die Schotten sollten es sich jedenfalls gut überlegen, wie sie beim Referendum im September abstimmen. Ihre einzige Chance, in der EU zu bleiben, ist offenbar ein Ja zur Unabhängigkeit.

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