Musiker klagen gegen die NPD: Atemlos vor Gericht

Die NPD Thüringen sieht sich mit Klagen konfrontiert. Musiker, deren Lieder sie im Wahlkampf spielte, wehren sich gegen den Missbrauch.

Darf nicht mehr mit den Hüften schwingen: NPD-Landeschef Patrick Wieschke (li.). Bild: dpa

BERLIN taz | Dass Bands wie die „Zillertaler Türkenjäger“ und „Störkraft“ oder nationale Liedermacher wie Frank Rennicke nicht gerade den Geschmack des Massenpublikums oder auch des kleinbürgerlichen deutschen Spießertums treffen, ist selbst den Wahlkämpfern der NPD Thüringen klar. Statt mit Hasstexten auf musikalischem Schülerbandniveau versuchen sie auf ihren Kundgebungen mit Mainstream-Musik zu überzeugen. Helene Fischer, Andrea Borani, die „Höhner“, alles was deutsch und massentauglich klingt, dudelt aus den nationalen Boxen.

Dennoch sucht man schunkelnde Menschenmengen beim NPD-Wahlkampf auf den Markplätzen von Suhl oder Gotha vergeblich. Stattdessen hat sich die Partei mächtig Ärger eingeheimst. Die genannten Künstler sind innerhalb der vergangenen Wochen allesamt dem Vorbild der Band „Wir sind Helden“ gefolgt und versuchen der rechtsextremen Partei das Abspielen ihrer Lieder zu untersagen. Prominentester und aktuellster Zuwachs an der Klagefront ist der Band „Die Ärzte“, deren Politsong „Deine Schuld“ wiederholt auf NPD-Kundgebungen zu hören war.

Mit einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Erfurt ist es „Wir sind Helden“ gelungen, der rechtsextremen Partei zu untersagen, weiterhin mit dem Song „Gekommen um zu bleiben“ für sich zu werben. Bei Zuwiderhandlung droht eine Ordnungsstrafe von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft gegen den Landesvorsitzenden der Partei Patrick Wieschke.

Der hatte zu Beginn des Wahlkampfs angekündigt, mit elf Bands, darunter auch „Madsen“ („Du schreibst Geschichte“) und „Unheilig“ („Freiheit“) auf Stimmenfang zu gehen. Dem MDR sagte er: „Wir wollen eben mit dieser Musik auch ganz gezielt die Leute davon überzeugen, dass wir einfach wie sie sind.“

Nicht wie die NPD sein

Doch niemand, erst recht nicht die missbrauchten Bands, wollen wie die NPD sein. Nicht alle Künstler haben allerdings mit ihren Klagen so einen durchschlagenen Erfolg wie „Wir sind Helden“. Die Schlager-Sängerin Helene Fischer erlitt, nachdem sie zunächst eine einstweilige Verfügung erstritt, in der mündlichen Verhandlung einen Rückschlag. Die NPD widersprach mit dem Argument, das Lied sei nur ein Pausenfüller – und bekam Recht.

Die rechtliche Lage ist kompliziert: Prinzipiell darf die NPD die Lieder spielen, solange sie die Gema-Gebühren zahlt, nur wenn sie gezielt Werbung mit den Künsten macht, verstößt sie gegen deren Urheberpersönlichkeitsrecht. Bei Fischers Hit „Atemlos durch die Nacht“ ist es der NPD demnach leichter möglich, eine Identifikation mit dem Song abzustreiten, als beim Ärzte-Song mit dem Refrain „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist“. Dass die Partei hier versucht, sich eine eigene Interpretation des Textes anzueignen, liegt auf der Hand.

Wohl auch deshalb lässt sich die linke Band um ihren Hamburger Anwalt Jörg Dittrich von Fischers Niederlage nicht abschrecken. Dem Anwalt zufolge hätten seine Mandanten eine Unterlassungserklärung eingefordert. Diese sei allerdings noch nicht abgegeben worden, nun werde geprüft, ob gerichtlich gegen die Partei vorgegangen werde, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Anträge auf Unterlassung wurden auch von den Bands „Unheilig“, „Santiano“ und die „Höhner“ gestellt. Deren Frontmann Henning Krautmacher, der mit seinem Antrag vorläufigen Erfolg hatte, sagte gegenüber RTL: „Es wird der Eindruck vermittelt, man solle 'Wenn nicht jetzt, wann dann' die NPD wählen – und das ist überhaupt nicht in unserem Sinne“. Wenigsten hat Krautmacher die Mehrheit der Thüringer auf seiner Seite. Nach aktuellen Umfragen wird die NPD bei der Wahl am Sonntag den Einzug in den Landtag verpassen.

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