Bankenverbandschef über Negativzinsen: „Vermögen der Sparer schmilzt“

Die Deutschen haben Angst vor Negativzinsen. Das sei unbegründet, sagt Bankenverbandschef Michael Kemmer. Die Rücklagen schrumpfen dennoch.

Ein Bankschließfach ist womöglich besser als ein Sparkonto. Bild: dpa

taz: Herr Kemmer, haben Sie auch schon einen Tresor?

Michael Kemmer: Nein. Aber es stimmt: Bei einigen Banken werden die Tresore knapp, sodass die Preise für Schließfächer hier und da steigen.

Viele Sparer haben Angst, dass demnächst „Guthabengebühren“ oder Negativzinsen bei Bankeinlagen anfallen. So kommen manche Sparer auf die Idee, sich alternativ einen Tresor zuzulegen. Ist diese Sorge übertrieben?

Absolut. Ich glaube, dass der Wettbewerb zwischen den Banken so stark ist, dass es keine Negativzinsen für Privatkunden geben wird.

Aber die Ansagen der Finanzinstitute können sich schnell ändern. Zunächst hat die Commerzbank versprochen, sie würde keine Negativzinsen einführen. Nur zwei Wochen später müssen erste Firmenkunden doch zahlen. Warum sollte es diese Kehrtwende nicht auch bei Privatkunden geben?

Wie gesagt: Ich glaube, dass keine Negativzinsen für Privatkunden kommen werden. Eben wegen des Wettbewerbes zwischen den Banken.

Der 57-Jährige ist Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutscher Banken, dem rund 210 private Banken angehören.

Wenn der Wettbewerb zwischen den Banken so groß ist: Warum werden Großkunden trotzdem mit Negativzinsen belastet?

Die Europäische Zentralbank erhebt ebenfalls Negativzinsen von 0,2 Prozent, wenn Banken dort Geld parken wollen. Diese Kosten reichen jetzt einige Banken an die Großkunden weiter, die zum Teil Milliarden auf den Konten liegen haben.

Die Europäische Zentralbank hat derartige Negativzinsen aber schon im Juni eingeführt. Warum taucht dieses Thema erst jetzt auf – kurz vor Jahresende?

Das Jahresende könnte das Problem verstärken, weil der 31. Dezember für viele Unternehmen der Bilanzstichtag ist. Deswegen wollen die Firmen genau an diesem Tag besonders gesund aussehen – indem sie hohe Bargeldreserven ausweisen. Dieses Geld tragen sie dann zu ihrer Bank.

Warum nehmen die Banken das Geld nicht einfach für ein paar Tage?

Für die Banken ist der 31. Dezember ebenfalls Bilanzstichtag. Die Bilanzsumme entscheidet aber, wie viel Eigenkapital man vorhalten muss und wie hoch bestimmte Kosten sind. Also sind die Banken nicht unbedingt daran interessiert, dass die Firmen sie ausgerechnet am Jahresende mit Geld fluten – und so die Bilanzsumme der Banken in die Höhe treiben.

Also wird das Thema Negativzins nach dem 31. Dezember sofort wieder verschwinden?

Das weiß ich nicht. Bei diesem Thema kann man nur auf Sicht fahren. Allerdings muss man auch sehen: Der Negativzins spielt psychologisch eine wichtige Rolle, wird aber faktisch überbewertet. Für die Sparer sind die Realzinsen wichtig. Und die sind derzeit sowieso negativ. Ein Beispiel: Die Inflation liegt momentan bei 0,8 Prozent. Aber selbst 10-jährige Bundesanleihen werfen derzeit nur eine Rendite von 0,7 Prozent ab. Das Vermögen der Sparer schmilzt.

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