In eigener Sache – Datenklau: Der Vertrauensbruch
Ein Kollege hat Accounts von KollegInnen geknackt – und wurde erwischt. Fall erledigt? Nein. Er beeinflusst weiter die Atmosphäre unseres Hauses.
Mögen Zeitungen wie die Welt von einem „Medienskandal“ sprechen; mag ein Blatt wie die FAZ sich ihren gehässigen Reim auf die Causa machen oder sei auf Twitter weiterhin vom #tazgate die Rede: Der Fall, der innerhalb dieser Zeitung die Kollegen und Kolleginnen beschäftigt, geht in der Tat weit über die Dimensionen von „Leaks“ oder „digitalen Einbrüchen“ hinaus.
Zunächst: Was war, was ist der Fall? Nach allem, was in dieser Redaktion gewusst werden kann, hat ein Kollege sich mittels eines technischen Geräts namens „Keylogger“ die Computer anderer KollegInnen gehackt. Es ist ein simples, im Handel erhältliches Gerät. Mit seiner Hilfe können Mails oder Passwörter gelesen und nötigenfalls genutzt werden.
Die Enthüllung dieses Falls liegt inzwischen zehn Tage zurück – unmittelbare Gefühle von Schockiertheit, von Empörung und Unglauben sind weitgehend verflogen. Geblieben ist freilich das, was als eigentlicher Schaden verstanden werden muss: die Erschütterung eines grundsätzlichen Vertrauens innerhalb der taz, ihrer Redaktion wie in allen anderen Abteilungen.
Man muss nicht allzu historisch interessiert sein, um sagen zu können, dass die taz, eine Zeitungsgründung in den späten siebziger Jahren, aus einer Zeit kommt, in der Sicherheits- und Abschottungsfragen absichtsvoll minder geschätzt wurden. Überall verschlossene Türen, Schubladen, Behältnisse – all das wollte man nicht, der Kultur der versiegelten Enge wollte man in der alternativen Szene fliehen. Die taz hat über alle Jahrzehnte ihrer Existenz diese Idee am Leben gehalten. Nicht immer bewusst, aber faktisch.
Wer anderswo im Büro – großräumig oder kleiner – sitzt, weiß, dass KollegInnen zur Mittagspause oder einfach nur zum Kaffeeholen ihre Schreibtische abschließen, sich aus dem Computer loggen: (Nicht nur) in deutschen Arbeitsräumen tut man viel dafür, nicht bestohlen zu werden. Eine offene Bildschirmoberfläche könnte schließlich den oder die Büronachbarin zum indiskreten Blick auf Persönliches verleiten.
Wie in einer 70er-Jahre WG
Wer schon einmal die taz besucht hat, weiß hingegen: Diese Üblichkeiten der Dauersicherung von Persönlichem gelten hier traditionell eher nur eingeschränkt. Spötter würden sagen: Mancherorts sieht es in der taz wie in einer WG der siebziger Jahre aus. Pfandflaschen stehen herum, Schreibtische, auf denen sich Papierstapel in die Höhe türmen, notorische Zettelwirtschaften und Computerbildschirme, die mit Post-its beklebt sind. Dokumente von Informanten oder brisantes Material der Recherchen werden selbstverständlich und ausnahmslos gesichert – auch papierne.
Aber in der taz wird nicht KollegInnen hinterherspioniert, schon gar nicht vergreift man sich an den Computern anderer. Es gilt das stumme Gebot: Respektier meine Grenzen. Nebenbei: Dass redaktionelle Mails verschlüsselt werden, daran halten sich die allermeisten taz-Redaktionsmitglieder – auch dies ein Instrument des Informantenschutzes und damit des Rechercheschutzes.
Klar, es wurde auch schon gestohlen. Bücher sind abhandengekommen, Zeitungen der Konkurrenzmedien werden aus den Ressorts entwendet, offen herumliegende Kekspackungen geplündert oder auch Zigarettenschachteln entnommen. Aber dieser eher lässige Umgang mit privatem Kram wird irgendwie toleriert. Vermutlich, weil alle von diesem Fehlen der Sicherheitsmanie profitieren: Man muss nicht unentwegt sich hintergangen fühlen.
Kollegiale Erschütterung
Der Fall, um den es aber hier geht, ist wohl keiner, hinter dem Monstrositäten wie die NSA stecken. Es war ein Diebstahl digitaler Art; der Verdächtige knackte Redaktionsrechner quasi aus internem Drang. Das aber war und ist eine heftige Attacke auf die Vertrauenskultur, auf die die taz – ohnehin ein offenes Haus ohne Dienstausweise – sich aus Tradition etwas zugutehielt.
Das ist der Kern der kollegialen Erschütterung, des Entsetzens darüber, dass man dem kollegial Nächsten vielleicht nicht trauen kann. Ein wenig mag man es sich so vorstellen: Auch ein Einbruch in die eigene Wohnung ist meist nicht deshalb schlimm, weil wertvolle Dinge entwendet wurden. Diese mögen durch eine entsprechende Versicherung geldlich ausgeglichen werden. Das Gefühl aber, in der eigenen Wohnung nicht unversehrt zu bleiben, dass da jemand in das Eigene sich ungebeten Zugang verschafft hat: Das ist das Empfinden, von dem Kriminologen sagen, es schmerzt am meisten und hinterlässt Unbehagen.
Die taz wird ihre Kultur des Vertrauens nicht aufgeben wollen. Dass der Spion aber im Inneren sitzt, bleibt als Schrecken, der nur Misstrauen stiftet, zurück.
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