Fitness-Apps und Apple-Uhr: „Wir suchen durstige Pferde“
Was motiviert einen Menschen, sich von einer Fitness-App antreiben zu lassen? Angst, sagt ein Entwickler, der sich damit beschäftigt.
taz: Herr Hovey, Sie versprechen mit Ihrer Firma Digifit, Fitnesstrainings perfekt auf ihre jeweiligen Nutzer abzustimmen. Sie sagen, Sie haben 40 Motivatoren identifiziert, mit denen man Menschen in Bewegung bringt. Welche sind das?
Dean Hovey: Darf ich Sie auch etwas fragen?
Na gut.
Sie nutzen doch eine Fitness-App, hatten Sie mir geschrieben.
Das stimmt. Sie errechnet meinen Gesundheitsindex. Eine Zahl soll ausdrücken, wie gut es mir gerade geht. Mein Index ist zurzeit bei 692 von 1.000.
Haben Sie das Bedürfnis, besser zu werden?
Ein Schweizer Unternehmer will mit einer einzigen Zahl das Wohlbefinden jedes Menschen messen. Und so die maroden Krankenkassen sanieren. Wie genau das funktionieren soll und auf welche Widerstände er stößt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 18./19. April 2015. Bonjour, Israel! Wie geflohene, französische Juden in Israel ankommen. Und: Der Tocotronic-Produzent Moses Schneider. Ein Interview über Dur. Außerdem: Nackte Jungs lesen. Ein Literaturevent. Plus: Hausbesuch bei Deutschlands einzigem professionellen Nacktmodell. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Ein bisschen vielleicht, ja.
Sehen Sie, ich will immer möglichst weit über dem Durchschnitt liegen. Sie haben diesen Prozess also schon selbst durchgemacht. Das wäre einer der Motivatoren. Unsere 40 Motivatoren lassen sich in verschiedene Kategorien aufsplitten. Finanzielle Anreize. Deshalb zahlen Leute Fitnessstudios oder Coaches. Dann ist da der Wunsch, ein Ziel zu erreichen, das Verlangen, Teil von etwas zu sein, Anerkennung, Eitelkeit, den Moment empfinden. Vermutlich laufen Sie ja auch, weil sie aktiv sein wollen. Wir versuchen für jeden rauszufinden: Wo steht er heute, wo will er hin? Dann entwerfen wir mit den Motivatoren im Hinterkopf ein Storyboard, einen Plan. Über die Smartphones werden die Pläne umgesetzt.
Dean Hovey arbeitete an der Entwicklung der ersten Computermaus von Apple mit. Seitdem hat er etliche Firmen gegründet. Studiert hat er an der Stanford University. Mit seinem Start-up Digifit will er die Kosten des Gesundheitswesens senken.
Warum machen Sie das?
Unsere Gesundheitssysteme sind ziemlich am Ende. Wir haben leider eine Gesellschaft geschaffen, die es den Menschen sehr einfach macht, falsche Entscheidungen zu treffen. Das größte Problem ist unser Verhalten. 70 Prozent der Patienten, die einen Arzt besuchen, tun das wegen der Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens. Verhalten zu ändern ist aber das schwerste, was sie machen können.
Auf ihrer Webseite wirkt das alles wie eine Mischung aus Motivationscoach und Personal Trainer. Sie scheinen auch ein Fan des Nudgings zu sein: Dass man Leute jeden Tag ein wenig anstupsen muss, damit sie etwas tun.
Genau. Schieb ihn jeden Tag ein wenig an – und er wird sich bewegen. Es wird eine Herausforderung. Klar ist auch: Menschen, die darum kämpfen, überhaupt etwas zu essen auf den Tisch zu bekommen, werden sich für solche Methoden kaum interessieren.
Was ist der stärkste Motivator?
Hm. Einer ist sicher Angst. Sollten Sie beispielsweise erfahren, dass Sie Krebs haben, wirkt das unglaublich motivierend: Ich muss jetzt etwas tun. Diese Motivation hält aber nicht lange. Sie müssen sie nutzen, damit Sie anfangen etwas zu tun und eine Gewohnheit daraus machen. Beobachten Sie sich mal selbst von Tag zu Tag. Sie trinken morgens immer drei Tassen Kaffee? Vielleicht ersetzen sie zwei Tassen mit etwas anderem, einem Powerriegel etwa. So habe ich das gemacht. Damit ich nicht mehr so viel Koffein zu mir nehme.
Erhöht die Apple Watch, die gerade auf den Markt kommt, die Motivation der Leute, sich zu bewegen?
Ich verspreche mir davon eine Menge. Natürlich werde ich mir eine besorgen. Ich habe ja bei Apple mit Steve Jobs mal an der ersten Computermaus gearbeitet. Die Apple Watch wird eine Bewusstseinswelle anstoßen. Sie wird den Menschen klar machen, dass sie sich ihres Verhaltens bewusst werden müssen. Und es ändern. Apple hat ja außerdem ein Forschungsmodul in seine iPhone-Software eingebaut, das Apple Health Kit. Die Daten fließen in einen großen Pool. So kann man auf lange Sicht noch mehr über sich herausfinden, weil Forschung mit der Summe dieser Daten betrieben wird.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie Ihre Kunden beraten?
Wir suchen immer nach durstigen Pferden. Man kann ein Pferd zum Trog führen, aber man kann es nicht zwingen, zu trinken. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie können einem Menschen sagen: Das solltest du tun. Tun muss er es dann allerdings selber. Wenn er aber nicht durstig genug ist, legt er nicht los.
Den einen universalen Motivator haben Sie noch nicht gefunden.
Das ist wesentlich personalisierter, als Sie sich vielleicht vorstellen. Schwanger werden, in die Menopause kommen, eine Krebsdiagnose. Wenn ich Mountainbikefahren gehe, genieße ich es, mit Freunden unterwegs zu sein. Das treibt mich an. Dann gibt es auch diese College-Verrücktheiten, die einen loslegen lassen: der Wunsch nach dem Waschbrettbauch, sich gut fühlen, gut aussehen.
Was motiviert Sie selbst?
Ich habe meine Gene untersuchen lassen. Ich weiß also, dass ich zu einem hohen Cholesterinspiegel neige. Das hat mich extrem stark motiviert, mehr zu trainieren. Außerdem war ich immer ein guter Athlet. Natürlich spielt auch Eitelkeit eine Rolle: Man will ja nicht, dass sich beim Schwimmen etwas über den Hosenbund rollt. Ein Gesundheitsindex von 692, damit wäre ich überhaupt nicht zufrieden.
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