: Ausländer werden doppelt bestraft
■ Bundestag verschärft das Ausländergesetz: Ab drei Jahren Knast folgt automatisch die Abschiebung
Bonn/Berlin (taz) – Das Ausländerrecht bleibt auch vom „Geist der Abwehr“, so Immigrantengruppen, geprägt. Mit der Mehrheit der regierungsfrommen Abgeordneten verschärfte das Parlament gestern das Ausländerrecht. Das Leben von Ausländern in Deutschland steht damit weiterhin unter Generalverdacht. Durchgesetzt haben sich Union und FDP gegen den heftigen Widerstand der Opposition. 325 Abgeordnete votierten für die Neuregelung, 307 stimmten dagegen, zwei enthielten sich. In Zukunft ist die Abschiebung eines Ausländers in sein Heimatland zwingend vorgeschrieben, wenn er zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt wurde.
Die Gesetzesänderung war von der Koalition vorgeschlagen worden, nachdem es im Frühjahr zu Krawallen bei Demonstrationen der verbotenen kurdischen PKK gekommen war. Künftig gilt Landfriedensbruch bei einer verbotenen Demonstration automatisch als schwerer Fall und führt nach einer Haftstrafe zur Ausweisung – was auch für anerkannte Asylbewerber gilt.
Allerdings sieht das Gesetz auch eine bessere Integration der rechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländer vor. Kinder lange hier lebender Nichtdeutscher sollen künftig auch während der Schul- oder Berufsausbildung eine Aufenthaltsberechtigung bekommen können, ohne daß wie bisher ihre Eltern mindestens fünf Jahre lang Rentenversicherungsbeiträge gezahlt haben.
Der CDU-Innenpolitiker Erwin Marschewski verteidigte die Verschärfungen. Spannungen zwischen Deutschen und Ausländern könnten nur verringert werden, wenn Integration und der Zuzug von Ausländern nach Deutschland in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stünden. Politisches Ziel der Koalition sei aber ebenso, daß Ausländer die deutschen Gesetze respektierten und die Grundwerte der Verfassung anerkennten.
Die FDP-Abgeordnete Cornelia Schmalz-Jacobsen warnte davor, die vorgesehenen Erleichterungen für lange in Deutschland lebende Ausländer kleinzureden. Auch bei den erleichterten Abschiebungen „reagiert der Rechtsstaat mit den Mitteln des Rechtsstaats“. Zugleich räumte die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung ein, daß die Regelung der Integration nicht ihren Erwartungen entspreche. Das Daueraufenthaltsrecht für in Deutschland geborene Kinder lange hier lebender Ausländer dürfe nicht auf Dauer von einer Minderheit in der Koalition blockiert werden. Auch die generelle Haltung eines Teils der Union gegenüber Ausländern kritisierte Schmalz-Jacobsen: „Das Bild vom Gast gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“
Auch die Sozialdemokraten wollten eine deutliche Antwort des Staates gegen alle, die zum Beispiel bei verbotenen Demonstrationen Gewalt anwenden, betonte die SPD-Abgeordnete Cornelie Sonntag- Wolgast. Doch das Gesetz sei „vom Geist der Abschottung und des Mißtrauens geprägt“, auch die Erleichterungen seien nur „als Stoßdämpfer vor den Bug geklebt“ worden.
Kerstin Müller, Fraktionssprecherin der Grünen, kritisierte, in Deutschland geborene Ausländer würden „wieder mal zu Menschen zweiter Klasse“ gemacht. Ihr türkischstämmiger Fraktionskollege Cem Özdemir beklagte: „Menschen, die 30 Jahre hier leben, Menschen, die hier geboren sind, sind keine Ausländer.“ JaF
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