: Grünen-Sprecher beurlaubt
■ Michael Rost (Sachsen-Anhalt) nannte Bundeswehr „Haufen, der braun gesinnte Scheißhausfliegen anzieht“
Berlin (taz) – Er hatte nur seine Wut artikulieren wollen. Deshalb hat er einen als „persönliche Meinungsäußerung“ deklarierten Leserbrief an die Magdeburger Volksstimme verfaßt und vom Bürofax der sachsen-anhaltinischen Grünen-Fraktion im Magdeburger Landtag abgeschickt. Nun droht Michael Rost, Pressesprecher des grünen Regierungspartners von Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD), arbeitslos zu werden. Rost hat den Überfall zweier Rekruten auf ein Wohnheim italienischer Bauarbeiter in Dresden zum Anlaß genommen, die Heuchelei in der Bewertung der Bundeswehr aufzuspießen.
In seinem Brief heißt es unter anderem: „Die Gewalttätigkeiten von Detmold, die Kriegsvideos, jetzt Dresden – die nächsten Ereignisse scheinen vorprogrammiert, pflegt die Bundeswehr die Tradition des Faschismus doch am besten.“ „Immer noch“ gebe es „Kasernen, die nach Wehrmachtsgenerälen benannt sind“. Rost zur taz: „Ich war frustriert. Nach ihrem Einsatz an der Oder wird die Bundeswehr hochgejubelt, aber die Taten von Mitgliedern der gleichen Organisation, die nicht zum neuen Bild passen wollen, wandern verschämt in die Nachrichtenspalte ,Aus aller Welt‘ – wo es politisch keine Beachtung mehr findet.“
Sein schriftlicher Gefühlsausbruch endete mit einer Behauptung: „Die Bundeswehr ist offenbar der Haufen, der braun gesinnte Scheißhausfliegen magisch anzieht.“ Genau diese Formulierung hält selbst Rost mittlerweile für „strukturell richtig, aber in der Form für falsch“. Trotzdem war sie Anlaß für Hans-Jochen Tschiche, Fraktionschef der Grünen in Sachsen-Anhalt, den Pressesprecher mindestens bis zur nächsten Fraktionssitzung am Dienstag zu suspendieren. Der Gescholtene nimmt die Kritik an mancher Formulierung zwar hin, beharrt aber darauf, daß der Kern seiner Wahrnehmung der Bundeswehr nicht nur offensichtlich sei, sondern auch von Untersuchungen durch die Hardthöhe selbst gestützt wird. „Intern weiß doch die Bundeswehr, daß nur eine Minderheit der Jugendlichen sie gut findet. Und sie weiß, daß diejenigen, die gerne bei ihr ihren Dienst ableisten, politisch eher rechts stehen oder sogar eine Neigung zur neonazistischen Szene haben.“ Darüber hinaus weist Rost auf das Recht hin, auch die Bundeswehr kritisieren zu dürfen: „In der Bundeswehr sind Rechte im Vergleich weit überrepräsentiert – das muß gesagt werden dürfen.“
Den Satz mit den Fliegen, so Rost, würde er heute im Ton moderater verfassen. Er könnte auch so lauten: „Die Bundeswehr ist offenbar der Obsthaufen, der braun gesinnte Fruchtfliegen magisch anzieht.“ Jan Feddersen
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