Kommentar: Maulkorbpolitik
■ Drohgebärden eines Geheimniskrämers
Es ist eine Posse, wenn auch mit einem bitterernsten Hintergrund. Geheimnisverrat lautet der schwerwiegende Verdacht, den Innensenator Eckart Werthebach (CDU) ausgesprochen hat. Irgend jemand soll aus der nichtöffentlichen Sitzung des Verfassungsschutzausschusses etwas ausgeplaudert haben. Denn die Presse hatte berichtet, es gebe keine Stasi-Mitarbeiter (mehr) beim Verfassungsschutz. Eine erfreuliche Botschaft und sicherlich keine, die der Geheimhaltung bedarf.
Schließlich hatte die ganze Stadt seit einem Jahr auf eine Antwort des Innensenators gewartet, nachdem herausgekommen war, daß mehrere Stasi-Spitzel im Dienst des Verfassungsschutzes gestanden hatten. Warum sich Werthebach zur Verkündung einer harmlosen Nachricht in den abhörsicheren Geheimschutzraum des Parlaments zurückzog, ist nicht nachvollziehbar. Aber Transparenz ist seine Sache nicht. Werthebach hat sich in Sachen Verfassungsschutz bislang als ausgesprochener Geheimniskrämer profiliert. Der Parlamentsausschuß, der den Geheimdienst kontrollieren soll, erhält nur derart spärliche Informationen, daß von einer Kontrolle kaum noch gesprochen werden kann.
Werthebachs Schreiben an das Parlament ist ein einmaliger Vorgang. Es sollte wohl vor allem ein Schuß vor den Bug sein, eine Drohgebärde an Abgeordnete, Fraktionsmitarbeiter und Verfassungsschutzmitarbeiter, daß Indiskretionen geahndet werden – auch wenn das mutmaßlich Ausgeplauderte in diesem Fall harmlos war.
Werthebachs Vorgehen reiht sich nahtlos ein in seine Maulkorbpolitik, wonach Mitarbeiter der Innenverwaltung und der Polizei nicht mehr ohne seine Genehmigung mit Abgeordneten reden dürfen. Wer so vorgeht, provoziert Indiskretionen erst recht.
Die Krönung ist jedoch, daß der Ausschußvorsitzende nun auch noch die Staatsanwaltschaft einschalten will. Dies ist dem Vorgang weder angemessen, noch ist dies im geringsten aussichtsreich. Die Beschuldigten werden die Aussage verweigern, die Journalisten sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Die Ermittlungen dürften im Sande verlaufen. Dorothee Winden
Bericht Seite 21
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