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Ohne Fugmann-Heesing keine Alternative

Für manchen SPD-Linken gleicht der Sturz der eisernen Sparlady einem Befreiungsschlag. Tatsächlich ist aber die Neubestimmung linker Politik nur in der Auseinandersetzung mit der Finanzsenatorin möglich, meint    ■ Uwe Rada

Seit Montagabend ist in der Berliner SPD nichts mehr wie es war. Und doch scheint wieder alles beim Alten. Mit der Entscheidung, der CDU das Finanzressort zu überlassen und stattdessen das Superressort Bauen, Verkehr, Stadtentwicklung zu übernehmen, wähnt sich vor allem die alte SPD-Linke im Aufwind. Nun kann also wieder verteilt, müssen nicht länger nur unangenehme Wahrheiten verkündet werden. Und nicht wenige glauben, dass der Sturz von Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing gar den Neubeginn sozialdemokratischer Politik bedeute.

Wenn in der Politik überhaupt von einem Selbstzweck die Rede sein sollte, dann hieße der tatsächlich „Gestalten“ und nicht „Sparen“. Diese einfache Wahrheit, so der Vorwurf vieler Sozialdemokraten, habe Annette Fugmann-Heesing allzu oft missachtet.

Genauso gilt es aber festzustellen, dass die Fugmann-Kritiker bislang eine Alternative zum Sparkurs der Finanzsenatorin schuldig blieben. Eine – auch und vor allem linke – Politik, die neue Handlungsspielräume eröffnen soll, bedeutet eben mehr als die kurzfristige Zufriedenstellung der eigenen Klientel. Dazu bedarf es weitreichender, über die Dauer einer Legislaturperiode hinausgehender Konzepte. Und die sind, so schmerzhaft es klingen mag, ohne eine Konsolidierung des Landeshaushaltes das Papier nicht wert, auf das sie geschrieben werden.

So paradox es klingen mag: Eine Auseinandersetzung um die Neubestimmung einer modernen linken Politik kann nicht ohne Annette Fugmann-Heesing stattfinden, sondern nur in der Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Politik – heftiger Widerspruch in vielen Punkten, etwa den Vermögensverkäufen, inbegriffen. Die „Alternative“ dazu lautet nicht etwa, wie es viele Sozialdemokraten gerne hätten, eine Rückkehr zu einer Politik der Verteilung, sondern einen Schritt zurück, der kein Mehr an Gestaltung zur Folge hätte, sondern deren Ende durch Bankrott.

Eine solche Neubestimmung linker Spielräume setzt Glaubwürdigkeit und Geradlinigkeit voraus, und zwar in alle Richtungen. Wer es mit dem Gestalten ernst meint, muss auch sparen. Wer es mit dem Sparen ernst meint, darf das aber nicht nur bei jenen tun, die sich nicht wehren können, sondern auch bei denen, die sich bislang erfolgreich gegen jeden größeren Einschnitt zur Wehr gesetzt haben.

Die Rede ist – zum Beispiel – vom öffentlichen Dienst. Noch immer ist Berlin die Großstadt Deutschlands, die pro Einwohner die meisten Beschäftigten in der Verwaltung hat. Dass dies nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit Bürgerfreundlichkeit und Service, zeigt der Umstand, dass die öffentliche Verwaltung dort, wo sie bislang sparen musste, oftmals effektiver arbeitet. So richtig deshalb die Verwaltungsreform ist, so dringend muss ihr ein zweiter Schritt folgen. Wenn schon der Bürger keine Beamtenmentalität mehr an den Tag legen darf, warum sollen es dann die Beamten dürfen.

Dass in Zeiten der Globalisierung der Steuerungsbedarf der Politik wächst, darauf hat nicht zuletzt die Finanzsenatorin immer wieder hingewiesen. Von ihr zu erwarten, gleichzeitig eine Politik der Haushaltskonsolidierung zu betreiben wie auch die Prioritäten staatlicher Intervention zu bestimmen, wäre sicher zu viel verlangt.

Dass es eine Politik des Sparens und des Gestaltens aber nur mit und nicht ohne Annette Fugmann-Heesing geben kann, haben die vergangenen Tage hinreichend unter Beweis gestellt. Sowohl in der Katerstimmung über das negative Echo auf den Beschluss des Landesausschusses als auch im fast schon kollektiven Aufatmen über das Ende der Ära Fugmann-Heesing hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Konsolidierungspolitik in der SPD noch längst nicht Konsens ist. Und noch immer, so scheint es, ist die Partei über das Stadium einer „Selbsterfahrungsgruppe“ (Ex-Bausenator Wolfgang Nagel) nicht hinweg. Vielmehr gleichen die Reaktionen auf die Entscheidung für Strieder und gegen Fugmann dem schadenfrohen Verhalten eines fettleibigen Patienten, der zur Schlankheitskur gezwungen wurde, sich aber insgeheim auf nichts anderes freute, als endlich wieder völlen zu dürfen.

Dass es ausgerechnet Annette Fugmann-Heesing war, die den Patienten darauf hinwies, dass er sich damit keinen Gefallen tue, mag zur Psycholgie der Entscheidung vom Montag nicht unwesentlich beigetragen haben. Eine Kassandra, die einem ständig mangelnden Willen zur Einsicht und unangenehme Wahrheiten vor Augen führt, wird man im besten Falle schätzen. Mehr aber noch wird der uneinsichtige Patient sie in die Wüste wünschen. Ohne Rücksicht auf Verluste.

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