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Alte Staatsfeinde hoffen auf Vergebung

Das Stuttgarter Oberlandesgericht prüfte gestern, die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt freizulassen. Sie gilt als nicht rückfallgefährdet. Entlassungstermin wäre im März. Opposition fordert Begnadigung von Christian Klar

Aus Freiburg Christian Rath

Auch die Bundesanwaltschaft setzt sich für die Freilassung von Brigitte Mohnhaupt ein. Bundesanwalt Walter Hemberger unterstützte gestern vor dem Oberlandesgericht Stuttgart den Antrag der Exterroristin, ihre Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Die Entscheidung des Gerichts wird Anfang Februar verkündet.

Um 11 Uhr begann gestern in einem Besprechungszimmer des Stuttgarter Oberlandesgerichts die nichtöffentliche Anhörung. Schon gegen 13 Uhr war das Verfahren wieder zu Ende. Das zeigt, dass Mohnhaupts Chancen für eine baldige Entlassung gut stehen. Weder aus einem Gutachten des renommierten Psychiaters Norbert Leygraf aus Essen noch aus ihrem Verhalten im Strafvollzug im bayerischen Aichach seien Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr erkennbar, ist zu hören. Der frühestmögliche Entlassungstermin wäre der 26. März.

Die heute 57-Jährige Brigitte Mohnhaupt sitzt seit 24 Jahren im Gefängnis. Eine erste mündliche Anhörung der früheren Terroristin hatte am 21. Februar 2006 stattgefunden. Damals lehnte das Stuttgarter Oberlandesgericht den ersten Antrag auf Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe mit der Begründung ab, die besondere Schwere der Schuld gebiete die weitere Vollstreckung. Der Senat hatte dabei festgelegt, dass die Verurteilte ihre Strafe mindestens 24 Jahre absitzen müsse.

Mohnhaupt war 1985 unter anderem wegen Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Vorstandssprecher Jürgen Ponto, Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und sechs weiteren Menschen zu fünfmal „lebenslänglich“ verurteilt worden. Mohnhaupt galt bis zu ihrer Festnahme im November 1982 als Kopf der „zweiten Generation“ der Roten Armee Fraktion (RAF). Sie sitzt zurzeit im bayerischen Aichach ihre Strafe ab.

Mohnhaupt hatte – anders als Christian Klar – keinen Antrag auf vorzeitige Begnadigung gestellt. Klars Mindeststrafe endet erst Anfang 2009. Bei Bundespräsident Horst Köhler liegt aber schon seit Jahren ein Antrag des 54-jährigen Klar auf Begnadigung vor.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, hat die erkennbare und echte Reue der Täter sowie ihre absolut gesicherte Gefahrlosigkeit zur Voraussetzung für eine vorzeitige Freilassung oder einen Gnadenerweis für die letzten inhaftierten RAF-Gewalttäter erklärt.

Über Klar wird derzeit ein Gutachten erstellt. Bei günstiger Prognose kann er von Juli an mit Vollzugslockerungen rechnen. Seine reguläre Entlassung ist frühestens im Januar 2009 möglich. Aus den Reihen der RAF sitzen außerdem noch Eva Haule und Birgit Hogefeld in Haft.

Die innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Ulla Jelpke, sagte: „Wer fordert, die letzten RAF-Gefangenen weiter eingesperrt zu halten, dem geht es offenkundig nicht um Recht, sondern um Rache.“ Nach zum Teil jahrzehntelanger Haft sei deren Freilassung überfällig. Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, sagte der Netzzeitung: „Ein Gnadenakt wäre eine humanitäre Geste, ein Signal der Versöhnung, das nach deutlich mehr als 20 Jahren Gefängnis angemessen ist.“

Die früheren Bundesminister Gerhart Baum und Klaus Kinkel hatten sich am Wochenende für die Freilassung von Klar und Mohnhaupt ausgesprochen. Die FDP-Politiker begründeten ihren Standpunkt mit der „guten Praxis des deutschen Rechtssystems“, Straftäter nicht ein ganzes Leben gefangen zu halten, sondern Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

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