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Die populäre Stadtguerilla steigt aus

Zwei Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ stellen sich nach 19 Jahren Illegalität – und erhalten Haftverschonung. Wie die RAF wurden die RZ als terroristische Vereinigung verfolgt, änderten aber nach der Ermordung eines ihrer Kämpfer die Richtung

AUS BERLIN WOLFGANG GAST

19 Jahre nach ihrer Flucht haben sich zwei mutmaßliche frühere Mitglieder der „Revolutionären Zellen“ (RZ) den Behörden gestellt. Ein Sprecher der Generalbundesanwältin Harms bestätigte eine Meldung des Magazins Der Spiegel, wonach die beiden gegen Auflagen Haftverschonung erhielten. Die Beschuldigten hätten sich bereits Anfang Dezember vergangenen Jahres bei der Bundesanwaltschaft gemeldet, beiden werde Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a vorgeworfen. Weitere Angaben zum Tatvorwurf oder zu den Namen der Beschuldigten wollte der Sprecher nicht machen.

Nach Informationen der taz handelt es sich bei den beiden um Adrienne Gerhäuser und Thomas Kram, die heute 58-Jährigen. Beide waren im Dezember 1987 nach einer bundesweiten Fahndungsaktion von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft gemeinsam mit anderen mutmaßlichen RZ-Mitgliedern untergetaucht. Die Karlsruher Anklagebehörde warf Gerhäuser seinerzeit vor, einen Wecker gekauft zu haben, der bei einem versuchten Anschlag auf das gentechnische Institut in Berlin in der Nacht auf den 18. Oktober 1986 eingesetzt worden ist. Zu dem Anschlag hatte sich eine Gruppe mit dem Namen „Rote Zora“ bekannt – eine Teilorganisation der RZ, der auch eine Anschlagsserie auf neun Filialen des Bekleidungskonzerns „Adler“ am 15. August 1987 von den Behörden zugeschrieben wurde. Dabei entstand ein hoher Sachschaden. Anlass der Brandstiftung war die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen in den Herstellerländern der Textilien, hieß es in einem Bekennerschreiben der „Roten Zora“.

Thomas Kram wurde seine „seit langem enge persönliche Beziehung“ zu Gerhäuser vorgeworfen. Darüber hinaus sei „er ebenso wie diese als Elektroniker ausgebildet und damit jederzeit fähig und in der Lage, die Zeitverzögerung für einen Sprengstoff oder Brandsatz zu bauen“. Er sei kurz vor der Durchsuchungsaktion gewarnt worden und seither flüchtig.

Bundesweit werden den „Revolutionären Zellen“ seit 1973 rund 200 Sprengstoff- und Brandanschläge von den Polizeibehörden zugeordnet. Bis zum Fall der Mauer genossen die RZ den Ruf der populären Guerilla – ganz im Gegensatz zur Roten Armee Fraktion oder der „Bewegung 2. Juni“. Eine Gruppe aus den RZ veröffentlichte Ende 1991 ein Papier mit dem Titel „Gerd Albartus ist tot“. Sie schilderte darin nicht nur die Ermordung des RZ-Mitglieds Albartus durch militante Palästinenser, sondern auch die Zäsur, die die Entführung eines Flugzeuges im ugandischen Entebbe 1976 für die RZ bedeutet hatte. Der Nachruf war einer schonungslose Selbstkritik und markierte den Anfang vom Ende: „Gerade weil revolutionäre Politik in einem Land wie der BRD so isoliert ist, muss sie sich immer wieder eines sozialen Orts versichern“, hieß es. Und: „Wie schnell all die schönen Worte und besten Absichten zu bloßer Makulatur werden … davon zeugt nicht zuletzt dieses Kapitel unserer Geschichte.“

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