: Roland Koch weiß nichts von „Erpressung“
Vor dem Ausschuss zum „Stimmenkauf“ dementiert der CDU-Mann „verwerfliche Angebote“ an die Freien Wähler
WIESBADEN taz ■ Leutselig und redefreudig kam Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern Nachmittag in den Saal 501 des Wiesbadener Landtags. Vor dem sogenannten Stimmenkauf-Untersuchungsausschuss bestritt er vehement, dass er dem Landesvorstand der hessischen Freien Wählergemeinschaften (FWG) jemals „ein verwerfliches Angebot“ gemacht habe. FWG-Vorsitzender Thomas Braun hatte der CDU-Spitze im November 2006 vorgeworfen, sie unter Druck gesetzt, gar „erpresst“ zu haben. Eine Gesetzesvorlage, die den Freier Wählern Gelder für den Kommunalwahlkampf eingeräumt hätte, sei an die Forderung gekoppelt worden, bei der Landtagswahl 2008 nicht anzutreten. Der Untersuchungsausschuss tagt seit Winter 2006.
Seit 1996 war die Finanzierung Freier Wählergemeinschaften als Option durch den Landtag gegeistert. Schon 1992 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Regelung angemahnt. Ein Referentenentwurf blieb aber bei SPD wie später CDU in der Schublade. Erst der neue Vorstandsvorsitzende des FWG-Landesverbandes, Thomas Braun, erhöhte den Druck seit Jahresbeginn 2006. Er mahnte das Gesetz energisch an. Eine andere Möglichkeit, die Parteikasse zu füllen, drohte er, sei es, zur Landtagswahl 2008 anzutreten. Die FWGler seien bei Gesprächen mit dem CDU-Präsidium, so Koch, „offenkundig und virulent“ immer wieder „mit der unterschwelligen Drohung“ der Landtagskandidatur aufgetreten.
Koch betonte, wie alle CDU-Zeugen, dass „immer klar gewesen“ sei, dass eine gesetzliche Kommunalwahlfinanzierung für ihn nur denkbar sei, wenn so Begünstigte nicht auf Landesebene antreten und damit eine „Doppelfinanzierung“ kassieren könnten. Dies „Junktim“ sei vor 2006 auch von der FWG nie in Frage gestellt worden. Im Untersuchungsausschuss erhärtete sich gestern der Eindruck, dass es die Union mit dem Gesetzesentwurf, der auch an der Parteibasis unbeliebt war, nicht gerade eilig hatte. Sie forderte die FWG trotz absoluter CDU-Mehrheit auf, sich erst einmal auch der der Zustimmung der anderen Landtagsparteien zu versichern. Koch erklärte dies damit, dass ein solches Gesetz in der Bundesrepublik bisher „einmalig“ wäre. Hessen habe „Vorreiter“ sein und sich deshalb vorsorglich der Zustimmung der anderen Fraktionen versichern wollen. Ziel sei es gewesen, die „Kultur“ der Freien Wähler zu schützen, indem sie sich auf einen regionalen Bereich festlege.
Die FWG wollte aber nicht auf eine landesweiten Kandidatur verzichten und ging letzten November überraschend an die Öffentlichkeit. FWG-Vorsitzender Braun behauptete, die CDU habe die FWG „erpresst“, indem sie die Verabschiedung des Finanzierungsgesetzes „unsittlich“ als Druckmittel benutzte. Davon, so Koch, könne nicht die Rede sein. Er kommentierte die divergierenden Aussagen gelassen: „Wertungen und Motive gehen allerdings teilweise auseinander, und ich fürchte, das wird auch so bleiben.“ Die Auseinandersetzung sei eine politische und „dafür taugen die Instrumente eines Untersuchungsausschusses nicht“. SPD und Grüne behielten sich gestern vor, die sich widersprechenden Zeugen miteinander zu konfrontieren und „als letztes Mittel“ ihre Vereidigung zu verlangen. HEIDE PLATEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen