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Papa sein ohne Zweifel

Künftig hat jeder Mann einen Anspruch zu wissen, ob ein ihm „rechtlich zugeordnetes“ Kind tatsächlich von ihm abstammt. Und: Wenn er will, kann er demnächst auch dann sozialer Vater bleiben, wenn verbindlich feststeht, dass er an der Zeugung des Kindes nicht beteiligt war

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Väter haben ein Recht, Zweifel an ihrer Vaterschaft ausräumen zu lassen. Das entschied gestern der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Nun muss der Bundestag bis 31. März 2008 ein neues Verfahren schaffen, das fast alle bisherigen Hürden beseitigt. Verboten bleiben lediglich heimliche Vaterschaftstests. Die Entscheidung der Richter – sieben Männer, eine Frau – fiel im Wesentlichen einstimmig.

Geklagt hatte der 37-jährige Frank S., ein Beamter aus dem Raum Hildesheim, der den Verdacht hatte, nicht Vater seiner heute 12-jährigen Tochter zu sein. Von der Mutter hatte sich S. schon vor zehn Jahren getrennt, zahlt aber seitdem jeden Monat 315 Euro Unterhalt und hat auch regelmäßig Kontakt zu dem Kind. Der quälende Verdacht entstand, als ihm sein Urologe sagte, dass er nur mit zehnprozentiger Wahrscheinlichkeit zeugungsfähig sei. Weil den Gerichten dieser Verdacht nicht genügte, um die Vaterschaft offiziell überprüfen zu lassen, nahm S. die Sache in die eigene Hand: Er ließ einen Kaugummi seiner Tochter in einem Labor untersuchen. Der Vergleich mit seinem Erbmaterial ergab: Er ist nicht der biologische Vater des Mädchens.

Aber der heimliche Vaterschaftstest nützte Frank S. nichts. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied 2005, dass das Testergebnis nicht einmal als Anlass für eine offizielle Untersuchung ausreicht. Zudem erklärte der BGH heimliche Tests generell für rechtswidrig, weshalb sie vor Gericht keine Bedeutung haben können. Wer das Erbmaterial eines Kindes ohne Zustimmung der Sorgeberechtigten – hier der Mutter – ins Labor gibt, verletze dessen Persönlichkeitsrechte. Dagegen klagte Frank S.: Er unterstellt der Mutter, sie habe nicht den Datenschutz der Tochter im Blick, sondern seine regelmäßigen Unterhaltszahlungen.

An diesem Punkt hatte S. keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte gestern die Auffassung des BGH. Heimliche Tests sind und bleiben unzulässig. Trotzdem ist Frank S. mit dem gestrigen Urteil voll zufrieden. Denn Karlsruhe öffnet ihm nun einen neuen legalen Weg, seine Nichtvaterschaft feststellen zu lassen. Danach hat jeder Mann den Anspruch, zu wissen, ob ein ihm „rechtlich zugeordnetes“ Kind tatsächlich von ihm abstammt.

Nach Ansicht der Richter folgt dies aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. „Das Wissen um die Abstammung des Kindes hat maßgeblichen Einfluss auf das Selbstverständnis des Mannes sowie die Rolle und Haltung, die er dem Kind und der Mutter gegenüber einnimmt“, heißt es zur Begründung. Bisher hatte der Gesetzgeber hohe Hürden für eine Vaterschaftsanfechtung aufgestellt. Nach bis dato geltender Gesetzeslage kann ein Mann seine Vaterschaft nur anfechten, wenn er Umstände darlegt, „die gegen die Vaterschaft sprechen“. Bloße Zweifel genügen nicht, es muss schon um handfeste Tatsachen gehen, etwa wenn das Kind eine andere Hautfarbe als die Eltern hat. Und selbst wenn solche Umstände auf dem Tisch liegen, hat der Vater nur zwei Jahre Zeit, vor Gericht zu ziehen.

Diese Regelung sollte den Familienfrieden wahren und dem Kind ein stabiles Verhältnis zu seinen Bezugspersonen garantieren. Auch im Falle einer späteren Trennung der Eltern lebt die Frist nicht neu auf. Wer also im Vertrauen auf das Gelingen der Partnerschaft Indizien, die gegen eine Vaterschaft sprechen, zunächst ignoriert, konnte diese später nicht mehr nutzen, um nun doch seine Vaterschaft überprüfen zu lassen. Damit ist es bald vorbei. Künftig kann ein Vater jederzeit und ohne weiteres seine Vaterschaft überprüfen lassen. Es genügt, dass der Vater „Zweifel an der Abstammung des Kindes vorträgt“, so das Urteil. Begründen muss er diese Zweifel nicht.

Bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) rennt Karlsruhe damit offene Türen ein. Sie wollte ein derartiges Verfahren ohnehin einführen. Ihr Staatssekretär Alfred Hartenbach (SPD) sagte gestern in Karlsruhe, bereits nach Ostern sei mit einem ersten Entwurf zu rechnen. Mit einer Welle von Anträgen misstrauischer Väter rechnet Hartenbach jedoch nicht.

Eine wichtige Vorgabe hat Karlsruhe dem Gesetzgeber mit auf den Weg gegeben: Das neue Verfahren soll so ausgestaltet sein, dass es nicht automatisch zur Auflösung der Verwandtschaft von Vater und Kind führt. Künftig wird es also zwei Prozeduren geben: ein bloßes Feststellungsverfahren, das dem Vater Gewissheit gibt; und ein getrenntes Anfechtungsverfahren, das die rechtliche Vaterschaft beseitigt. Ein Mann kann künftig also – wenn er will – auch dann Vater eines Kindes bleiben, wenn verbindlich feststeht, dass er an dessen Zeugung gar nicht beteiligt war.

Heimliche Vaterschaftstests will Hartenbach zumindest mit einem Bußgeld versehen. Zypries hatte früher sogar Haftstrafen bis zu einem Jahr angekündigt. Nach aller Lebenserfahrung wird es Tests ohne Wissen der Mutter aber auch weiterhin geben. Denn sie sind ein diskreter Weg, Zweifel auszuräumen, ohne die Partnerschaft zu belasten. Immerhin bestätigen rund 80 Prozent aller Tests am Ende die in Frage gestellte Vaterschaft. Staatssekretär Hartenbach hat für ein heimliches Vorgehen jedoch kein Verständnis: „Was ist das für eine Partnerschaft, in der man nicht offen über Zweifel sprechen kann?“

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