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Schwache Grenzen für den Schuldenstaat

FDP und CDU/CSU halten den rot-grünen Bundeshaushalt von 2004 für verfassungswidrig. Doch vor dem Bundesverfassungsgericht wurden gestern vor allem Verfassungsänderungen diskutiert, für die die Politik zuständig ist

KARLSRUHE taz ■ Das Grundgesetz sieht keine wirksame Grenze gegen die zunehmende Staatsverschuldung vor. Dies wurde gestern vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe deutlich. Verhandelt wurde die Klage der damaligen Oppositionsfraktionen CDU/CSU und FDP gegen den rot-grünen Bundeshaushalt aus dem Jahr 2004.

„Bei keinem Haushalt wurden die Grenzen der Verfassung so verletzt wie 2004“, erklärte gestern der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke. 43,5 Milliarden Euro musste sich der Bund damals pumpen, um den Haushalt decken zu können, während sich die Investitionssumme im Etat nur auf 24,6 Milliarden Euro belief. „Damit wurde Artikel 115 des Grundgesetzes verletzt“, erklärte Fricke. Dort heißt es: „Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten.“

Ausnahmen sind nur möglich „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“. Auf diese Klausel berief sich auch der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD). Die Einnahmen seien zurückgegangen und die Sozialausgaben gestiegen, betonte gestern Finanzstaatssekretär Karl Diller (SPD). Um die Konjunktur anzuschieben, habe man sogar die letzte Stufe der Steuerreform um ein Jahr vorgezogen, was das Bundesdefizit weiter erhöhte.

Der CDU-Abgeordnete Steffen Kampeter hält diese Argumentation schon für verfehlt: „Wir haben strukturelle Probleme im Haushalt, nicht konjunkturelle.“ Sein Kollege Fricke erinnerte daran, dass in den letzten 25 Jahren immerhin elf Mal die Neuverschuldung über den Investitionen lag. Schuldenmachen sei inzwischen zur Regel geworden.

Große Hoffnung auf das Verfassungsgericht zeigten aber auch die Kläger nicht. Immerhin hatte sich Karlsruhe schon 1989 einmal mit den Verschuldungsgrenzen beschäftigt und damals der Politik einen weiten „Beurteilungsspielraum“ eingeräumt. Der Würzburger Rechtsprofessor Ulrich Häde, Rechtsvertreter der Bundesregierung, erinnerte auch an den Kontext, in dem Artikel 115 Ende der 60er-Jahre eingeführt wurde: „Damals wollte man die Schuldenlast nicht begrenzen, sondern die Verschuldung eher erleichtern, um auf konjunkturelle Störungen angemessen reagieren zu können.“

Die Verfassungsrichter ließen deshalb über notwendige Grundgesetz-Änderungen diskutieren – für die freilich die Politik zuständig ist. So forderte der Sachverständige Dieter Engels, Präsident des Bundesrechnungshofs, aus Artikel 115 eine „wirksame Schuldenbegrenzungsregel“ zu machen. Bert Rürup, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, will für Regierungen, die zu viel Schulden machen, Sanktionen einführen. FDP-Mann Fricke forderte, dass die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht mehr von der Politik, sondern von einem „unabhängigen Gremium“, zum Beispiel der Bundesbank, festgestellt werden müsste.

Die gestrige Verhandlung bot also einen Vorgeschmack auf die zweite Föderalismuskommission, die Anfang März mit ihrer Arbeit beginnen will und auch Rezepte gegen die Staatsverschuldung sucht.

Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. CHRISTIAN RATH

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