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Geheimdienst arbeitete „unter aller Sau“

Eklat im BND-Untersuchungsausschuss: Wegen fehlender Akten des Bremer Verfassungsschutzes wird eine Sitzung abgesagt. Dazu kommt schwere Kritik aus den Reihen des Geheimdienstes: „Wir hatten gegen Murat Kurnaz nichts auf der Pfanne“

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Der BND-Untersuchungsausschuss hat in seinem zähen Kampf um Zeugen und Akten schon für manche Aufregung gesorgt. Da konnte es gestern nicht mehr wirklich überraschen, dass der Ausschuss zum äußersten Mittel griff und die Vernehmung prominenter Zeugen zum Fall Murat Kurnaz einfach absagte. Der Grund: Wichtige Akten des Bremer Verfassungsschutzes lagen dem Gremium trotz mehrfacher Nachfrage nicht vor. „So ist die Arbeit in einem Untersuchungsausschuss nicht möglich“, sagte der Ausschussvorsitzende Siegfried Kauder (CDU).

Ausnahmsweise waren sich die Vertreter aller Parteien mal einig. Der Beschluss zur Absage wurde einstimmig gefasst. Die Vernehmung des ehemaligen BND-Präsidenten August Hannig und seines Nachfolgers Ernst Uhrlau – beide Schlüsselfiguren in der Affäre Kurnaz – wurde auf nächste Woche vertagt.

Die Akten, die dem Ausschuss bis heute vorenthalten werden, sind nicht irgendwelche Unterlagen. Der Bremer Verfassungsschutz hat zwischen 2002 und 2005 mehrere Berichte verfasst, in denen Kurnaz, der in Bremen lebte, als radikalisierter, gewaltbereiter Islamist beschrieben wird. Vor allem auf diese Berichte stützte sich die rot-grüne Bundesregierung bei ihrer Entscheidung, Kurnaz im Falle seiner Freilassung aus Guantánamo nicht wieder nach Deutschland einreisen zu lassen.

Die Vorwürfe der Bremer Geheimdienstleute wogen schwer, und sie gingen fast ausschließlich auf Informationen von zwei V-Leuten zurück. So soll Kurnaz in Bremen von einem „Hassprediger“ namens Ali Miri fanatisiert und für den „Heiligen Krieg“ in Afghanistan rekrutiert worden sein. Nachdem Kurnaz im Oktober 2001 von Bremen aus nach Pakistan gereist war, soll er den Prediger per Telefon darüber informiert haben, dass sein Einsatz in Afghanistan unter Führung der Taliban unmittelbar bevorstehe. Walter Wilhelm, Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz, hat die Glaubwürdigkeit seiner Informanten vor dem BND-Untersuchungsausschuss verteidigt. Die Opposition hält deren Qualität eher für dürftig. Sie spricht von Erkenntnissen vom „Hörenhörensagen“.

Aufschluss darüber könnten die Akten des Bremer Verfassungsschutzes geben – die allerdings nicht da sind. Die Akten wurden, so der Ausschussvorsitzende Kauder, bereits am 1. Februar 2007 angefordert. Am 21. Februar sei der Bremer Innensenat ermahnt worden, dass die Unterlagen dringend benötigt würden. Die Akten gingen aber bis Donnerstag nicht beim Ausschuss ein. Die Bremer Innenbehörde teilte gestern mit, sie hätte alle ihr vorliegenden Akten zum Fall Kurnaz bereits Mitte Februar nach Berlin geschickt. Allerdings seien die Bestände nach Einwänden des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesinnenministeriums wieder nach Bremen zurückgeschickt worden. Jetzt liegen sie angeblich in der Bremer Landesvertretung in Berlin, wo die Bundes- von den Landesakten ordnungsgemäß getrennt werden sollen.

Kauder wollte den Vorgang nicht weiter kommentieren. Der SPD-Obmann Thomas Oppermann sprach von „Dummheit“ der Bremer Behörden und forderte die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Die Opposition hingegen wittert Zensur, sie ruft „Skandal“. Der Grünen-Obmann Christian Ströbele vermutet, dass „wesentliche Schriftstücke“ ausgetauscht werden sollen. Den gestrigen Tag bezeichnete er als „Ohrfeige für die Bundesregierung“.

Dass die schweren Vorwürfe des Geheimdienstes gegenüber Kurnaz nur dürftig belegt waren, könnte offenkundig werden. Ein Kronzeuge dafür ist der frühere stellvertretende Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Lothar Jachmann. Er sagte im ARD-Magazin „Monitor“, dass Kurnaz nie ein Sicherheitsrisiko gewesen sei. Die Berichte seines eigenen Hauses dazu bezeichnete er als „professionell unter aller Sau“. Jachmann wörtlich: „Wir hatten alle nichts auf der Pfanne, weder die Amerikaner, noch der BND, noch der Verfassungsschutz.“

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