: Parteien zerpflücken G-8-Razzia
Rot-Rot kritisiert Massendurchsuchungen als unverhältnismäßig. Die BKA-Aktion rücke G-8-Kritiker in die Nähe von Terroristen. Grüne halten die Razzien für rechtlich fragwürdig. Einzig die CDU jubelt
VON MATTHIAS LOHRE
Die Spitzen von Rot-Rot gaben sich gestern kaum Mühe, ihre Unzufriedenheit über den Polizeieinsatz am Mittwoch zu verbergen. Insbesondere stößt dem rot-roten Senat bitter auf, dass die Razzien mit der Abwehr terroristischer Gefahren begründet werden. Innensenator, SPD und Linkspartei betonten unisono, die Durchsuchung von 23 Objekten linker Aktivisten in Berlin und Brandenburg sei Sache von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesanwaltschaft gewesen – die Berliner hätten lediglich Amtshilfe geleistet. Die Grünen wurden noch deutlicher: Die bundesweite Aktion sei „rechtsstaatlich höchst bedenklich“.
Vergleichsweise diplomatisch formulierte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern im Abgeordnetenhaus seine Kritik. Denn Körting ist derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz der Länder. Mit „einer gewissen Besorgnis“ sehe er, dass Kritiker des G-8-Gipfels in manchen Kommentierungen am Tag nach den Razzien „kriminalisiert“ würden. „Man darf nicht die vielen Menschen, die Fragen stellen, und die wenigen, die kriminell sind, in einen Topf werfen“, sagte Körting.
Deutlicher wurde Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer. Mit der Begründung der Razzien durch Paragraf 129 a des Strafgesetzbuchs – Bildung einer inländischen terroristischen Vereinigung – setze die Bundesanwaltschaft „offenbar die Tradition seines repressiven Einsatzes gegen linke Strukturen und Proteste“ fort. Die Aktion sei „nicht gegen konkrete Bedrohungen“ gerichtet gewesen, sondern solle „einen Teil der Bewegung gegen den G-8-Gipfel unter einen Generalverdacht“ stellen.
Auch SPD-Innenexperte Thomas Kleineidam bezeichnete das Ausmaß der Untersuchungen als „fragwürdig“. Zwar gebe es unter den G-8-Kritikern eine kleine Gruppe militanter Aktivisten. „Aber durch diese Polizeiaktion werden alle Kritiker in eine terroristische Ecke gerückt.“
Für das Eindringen in Wohnungen habe es „überhaupt keine Gründe“ gegeben, kritisierte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Es reiche nicht aus, zu behaupten, einige Leute hätten sich zusammengerottet und mit ihren Demonstrationen die „Position Deutschlands als verlässlicher G-8-Partner“ gefährdet. Mehr finde sich aber nicht im Durchsuchungsbeschluss des Bundesgerichtshofs, befand Ratzmann. Die Grünen-Fraktionschefin in der Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg, Tine Hauser-Jabs, rief die von Durchsuchungen Betroffenen und deren Freunde auf, „sich von Polizei und Staatsschutz und deren Unterstellungen nicht provozieren zu lassen“.
Einzig der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Henkel, beharrte gestern auf der Polizeisicht: Der Schlag der Sicherheitsbehörden habe sich klar gegen militante Gruppen und terroristische Strukturen gerichtet. Wer Polizei und Justiz pauschal Einschüchterung und Kriminalisierung des Protests vorwerfe, heize die Stimmung im Vorfeld des G-8-Gipfels zusätzlich an, so Henkel.
Hingegen urteilte Sophie Dieckmann vom Bundesvorstand des Studierendenverbands Die Linke.SDS, eine Spaltung in „gute Gipfelgegner“ und „Terroristen“ sei falsch. Die Polizeiaktion sei ein gezielter Versuch gewesen, die G-8-Proteste zu schwächen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen