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Bund findet Tempelhof mickrig

Das Bundesinnenministerium will nicht ins Flughafengebäude umziehen. Neueste Begründung: Der Monumentalbau biete zu wenig „Repräsentationswirkung“. Ein Neubau in Kanzleramtsnähe soll her

VON MATTHIAS LOHRE

Im Bundesinnenministerium mag man es chic. Nach zehn Jahren als Mieter eines Glaspalasts am Moabiter Spreebogen wollen die Ministerialbeamten unbedingt in ein noch zu bauendes Domizil auf dem Moabiter Werder nahe dem Bundeskanzleramt ziehen. Eine Nutzung der Gebäude auf dem Flughafen Tempelhof wehrten Schäubles Beamte bislang vor allem mit Sicherheitsbedenken und hohen Kosten ab. Nun wird ein erstaunliches neues Argument ins Feld geführt: Der monumentale Stein- und Betonbau weise „Mängel in der Identifikations- und Repräsentationswirkung“ auf. Das von der Fläche her drittgrößte Gebäude der Erde ist dem Bund nicht imposant genug.

Der Tagesspiegel zitierte gestern ein Gutachten des Innenministeriums, wonach diese angeblichen Mängel die Unterbringung „eines der wichtigsten Bundesministerien fraglich erscheinen“ lasse. Eine „angemessene repräsentative Wirkung“ sei nicht gegeben. Im Bundesinnenministerium fand sich gestern niemand, der dies bestätigen oder dementieren wollte.

Berliner Landespolitiker bemühen sich seit Monaten darum, eine neue Bestimmung für das mehr als 1,2 Kilometer lange Gebäude zu finden. Bereits vor zwei Monaten brachte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Umzug des Bundesinnenministeriums ins Gespräch. Die Idee klingt einleuchtend: Dem Bund gehören ohnehin 87 Prozent der Tempelhofer Flächen, und nach dem Willen des Senats endet hier im Oktober 2008 der Flugverkehr. Das Innenministerium klagt seit geraumer Zeit über die Jahresmiete von 8,2 Millionen Euro sowie über mangelnde Sicherheitsvorkehrungen – und sucht daher eine neue Bleibe. Doch einem Umzug nach Tempelhof verweigern sich die Verantwortlichen.

Eine Vorentscheidung für einen Neubau hat vergangene Woche der Haushaltsausschuss des Bundestags getroffen: 12 Millionen Euro bewilligten die Parlamentarier für einen Architekturwettbewerb. Die Neubaukosten schätzen Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten und Innenministerium auf 200 Millionen Euro. Viel zu wenig, kritisiert der Bund der Steuerzahler. Und das ist nicht alles.

Für 220 Millionen Euro bietet der Eigentümer des bisherigen Domizils in Moabit das Haus zum Kauf an. 55.000 Quadratmeter nutzt derzeit das Ministerium, 6.000 sind anderweitig vermietet, 16.000 stehen leer. Genug Platz selbst für die verstreuten Außenstellen des Innenressorts. Doch Michael Luther (CDU) vom Haushaltsausschuss des Bundestags beharrte noch letzte Woche darauf, dass ein Neubau mittel- bis langfristig preisgünstiger sei als ein Umzug nach Tempelhof oder ein Immobilienkauf. Der Staatssekretär im Innenministerium, Johann Hahlen, wandte sich vergangene Woche mit dem Argument gegen den Exflughafen in spe, die dortigen Gebäudeteile seien unterirdisch verbunden, eine Abtrennung werde kostspielig. Auch würde ein Umbau der bisherigen Büroräume nach heutigem Standard schwierig. Weil der Denkmalschutz Probleme bereite, empfehlen Bauingenieure laut Hahlen den Neubau von Büroräumen unter den großen Dachflächen der Hangars.

Dumm nur, dass selbst die vom Ministerium bestellten Tempelhof-Gutachter urteilen, die für Büros konzipierten Gebäudeteile seien „gut“ nutzbar. Unwirtschaftlich seien lediglich die durchschnittlich 17 Quadratmeter großen Zimmer. Sie seien nur für einen Arbeitsplatz gut geeignet. Für ein denkmalgeschütztes Gebäude dieser Art aber, schließen die Gutachter, sei das völlig normal.

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