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Zitronen auf unserer Haut

In Johannesburg verkauft Elizabeth Nimo hautaufhellende Cremes. Ihre Kundinnen wissen, dass sie schädlich sind

AUS JOHANNESBURGMARTINA SCHWIKOWSKI

„White Moon“ steht auf der braunen Schachtel. Sie steckt hier, auf dem Markt im lebhaften Johannesburger Viertel Yeoville, zwischen den getrockneten Fischen und den eingeschweißten Bohnen. Davor liegt „Teint éclaire“. Wie bei „White Moon“ verspricht der Hersteller der Creme eine hellere Haut – bei regelmäßiger Anwendung, am besten zweimal täglich. Daneben, auf der weißen Packung von „Skin Light“, glitzern goldene Sternchen. Eine Liz-Taylor-Schönheit lässt verführerisch die Träger ihres Cocktailkleids herabgleiten und zeigt einen makellos weißen Rücken.

Die Papphülle von „Lemovate“ mit der quietschgelben zwinkernden Zitrone lässt ahnen, was mit der Haut ihrer Käuferin bei Auftragen der Paste geschieht. „Lemovate“ zählt zu den aggressiven hautaufhellenden Cremes und ist bei den afrikanischen Kundinnen sehr beliebt. Die Packungsbeilage sagt nichts über Verfallsdatum, Inhaltsstoffe oder Nebenwirkungen, aber sie versichert den gewünschten Effekt: weniger schwarze Pigmentierung.

Elizabeth Nimo stammt aus Ghana und verkauft hier auf dem Markt eine große Auswahl aufhellender Hautcremes für 15 Rand, knapp 2 Euro. Ihre Produkte bezieht sie von westafrikanischen Händlern in Johannesburg. Ihre Kundinnen sind Südafrikanerinnen und die in der Regel dunkleren Frauen aus anderen afrikanischen Ländern, die legal oder illegal in Yeoville leben. Ihre kongolesische Kollegin am Nachbarstand verkauft die gleichen Cremes und zeigt stolz die Ergebnisse der Anwendung: „Schau her, meine Arme sind heller und das Gesicht auch.“ Es hat eine fahlbraune Farbe. Einmal täglich trägt sie Bleichcreme auf. Genau wie Susan Mogashoa, die 47-jährige Südafrikanerin, die seit Jahren ihr Gesicht und den Hals mit „Movate“ einreibt. „Dann sehe ich einfach schöner aus“, sagt sie. Einmal im Monat kauft Susan sich eine Tube.

Viele Frauen auf dem Markt mögen nicht über aufhellende Hautcremes sprechen, es ist ihnen unangenehm. Denn manche der Cremes enthalten den verbotenen Inhaltsstoff Hydrochinon, der die Pigmentbildung hemmt. Der Schmuggel von Produkten aus Afrika und Indien blüht dennoch. Salben mit Hydrochinon waren bis in die 80er-Jahre hinein frei verkäuflich in Südafrika, erzählt der Dermatologe Robert Weiss. Die Hautschäden sind heute bei vielen älteren schwarzen Frauen sichtbar und bleiben als Makel im Gesicht: große, tiefschwarze Flecken auf den Wangenknochen und unter den Augen. Wie verbrannt sehen die geschädigten Hautstellen aus. Andere auf dem Markt, in den Townships und Straßen Johannesburgs angebotene Cremes enthalten Kortison und sind ebenso schädlich. „Sie sind für die medizinische Behandlung von Ekzemen gedacht, nicht zur dauerhaften Anwendung“, sagt Weiss. In den Geschäften der wohlhabenderen Vororte hingegen liegen legale und harmlosere Produkte zur Aufhellung der Haut in den Regalen. In der gängigen Drogerie-Kette Clicks werden nur vier Cremes angeboten, die billigste kostet 10 Euro.

Das Schönheitsideal ist in den südafrikanischen Medien sehr stark vom Modediktat der westlichen Welt bestimmt. Die Agentur Storm in Kapstadt vermittelt Models für die Produktionen deutscher und englischer Kataloge vor Ort. „Unsere Kunden bevorzugen etwas hellere Haut, eher europäische Gesichtszüge und große, schlanke Frauen, die in entsprechende Kleidergrößen passen“, sagt Agenturmitarbeiterin Vicky Cursham. In ländlichen Gebieten Südafrikas hingegen gelten weiter die üppigen Körperformen als attraktiv. „Wer zu essen hat, der ist gut gestellt. Wer dünn ist, hat Aids,“ erklärt die Anthropologin Rehana Valley von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg das traditionelle Schönheitsideal.

Elizabeth Nimo, die Verkäuferin in Yeoville, hat kein Geld für Trends. Sie kommt aus einer armen Familie in Tema, Ghana. Südafrika sollte nur eine Durchgangsstation sein, aber nun sitzt sie in Johannesburg fest. 550 Rand, umgerechnet 68 Euro, kostet ihr Zimmer hier monatlich, ihre Kinder sind bei ihren Eltern in Ghana. „Mit den Hautcremes mache ich nicht viel Geld“, sagt sie. „Aber immerhin, sie sind begehrt.“ Wenn sie genug verdient hat, hofft sie, wird sie eines Tages nach Europa reisen.

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