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Senioren gründen ParteiRentner greifen nach der Macht

Eine neue Partei versucht SPD und CDU mit der geballten Wut der Senioren das Fürchten zu lehren. In Bayern wird sie wahrscheinlich schon zur Landtagswahl im Herbst antreten.

Ex-Präsident Herzog warnt vor der "Rentnerdemokratie" - Helmut Polzer gründet die Partei, die ihr parlamentarischer Arm werden könnte.

Ein ruhiges Rentnerleben sieht anders aus. Helmut Polzer, 70 Jahre, hat Stress. Richtig Stress. Zwei Telefonanschlüsse liegen in seiner Wohnung im bayerischen Egmating, und beide Apparate klingeln im Moment alle paar Minuten, es ist ein Zehnstundentag. Polzer gründet eine Partei, die die etablierten Parlamentarier im Bundestagswahlkampf das Fürchten lehren könnte: Der ehemalige Staatsdiener ist Bundesvorsitzender der Rentnerinnen und Rentner Partei, Polzer organisiert die Wut der Alten.

Viel ist derzeit die Rede vom Krieg zwischen den Alten und den Jungen. Ein Alter, Exbundespräsident Roman Herzog, hat die gereizte Tonlage vorgegeben. Er warnte vor einer "Rentnerdemokratie", in der die wachsende Generation 60 plus die Jungen an die Wand drückt. Polzers Rentnerpartei könnte der parlamentarische Arm der Rentnerdemokratie werden.

In Fürstenfeldbruck haben sie ihre Partei Mitte April in einer Bierhalle erstmals vorgestellt. 300 Rentnerinnen und Rentner kamen, so viele, dass der Wirt noch Bänke reinschleppen musste. In Rosenheim drängten sich letzte Woche 200 Leute in einen Saal. "Die Leute sind euphorisch", sagt Polzer. Jeden Tag verzeichnet er zehn neue Mitglieder, schon jetzt zählt er knapp 400 Eintritte.

Ende Februar hat der Bundeswahlleiter die Partei offiziell anerkannt, Berichte in der bayerischen Lokalpresse verschafften Polzer und seinen Mitstreitern Gratiswerbung. Inzwischen rückt ihr erstes Ziel in greifbare Nähe: Bayerns Landtagswahl im September. Gut 8.000 Unterschriften von Unterstützern muss die Rentner-Partei vorlegen, damit sie antreten darf, das schreibt das Wahlgesetz vor. Polzer sagt: "Ich bin sehr optimistisch, dass es klappt. Jedes Mitglied kennt wieder Rentner, die unterschreiben werden." Ärzte boten bereits an, Listen in ihren Praxen auszulegen.

Und die Rentner-Partei will mehr: Auch bei der Europawahl und der Bundestagswahl 2009 will die Altenlobby antreten, Landesverbände gründen sich gerade in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Bremen. "Die Alten stehen auf", sagt Polzer. "Sie wollen eine gerechte Behandlung. Die Diäten der Abgeordneten steigen kräftig, die Preise auch, aber die Rentner speist man mit einer Erhöhung von 1,1 Prozent ab."

Die Rentner mobilisieren schon lange im Internet. Auf Seiten wie www.rentner-deutschland.de, www.rentnerplattform. de oder www.rentneropposition- hamburg.de machen Hunderte ihrem Zorn über "Abzocke" und "Betrug" an den Rentnern Luft. Die Rentner-Partei fordert in ihrem Programm, die Altersversorgung dürfe nicht länger missbraucht und dem schleichenden Wertverfall preisgegeben werden.

Parteichef Polzer ist aber kein Polemiker. Ein "Generationenkrieg" sei Unsinn, sagt er. "30- bis 40-Jährige zahlen Unsummen ein, wissen aber nicht, wie viel Rente sie bekommen." Er will ein anderes System. Die Schweizer Lösung könnte er sich gut vorstellen, wo alle, Angestellte und Selbstständige, in die Alterskasse einzahlen. Polzer will Unternehmen und hohe Gehälter stärker besteuern. Und warum nicht höhere Alkoholsteuern ins Gesundheitssystem umleiten?

Der Politikwissenschaftler Achim Goerres glaubt nicht an den Erfolg von Seniorenparteien. Rentner seien kein monolithischer Block, sie behalten ihre unterschiedlichen politischen Überzeugungen nach Renteneintritt bei. "In vielen europäischen Staaten existieren Parteien, die versuchen, sich für die Rente als primäres Politikziel starkzumachen", schrieb Goerres kürzlich in der taz. Funktioniert habe das jedoch nie.

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16 Kommentare

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  • KH
    Karl Heinz

    Wieso muss dieser Herr *Schlaumeier Goerres den ersten Versuch sofort kleinreden.

    Wenn es passt, werden sofort Vergleiche herbeigerufen, die jeden Ansatz blockieren sollen.

    Müssen wir uns das eigentlich immer gefallen lassen?

    WAS ANDERE MACHEN MÜSSEN WIR DOCH NICHT AUCH NACHMACHEN:

    Es müsste uns erst recht anspornen, jetzt erst recht.Unsere Politiker haben es nicht anders verdient.

  • M
    Michael

    In unserem Lande wird die Vergangenheit erstaunlich schnell bewältigt - aber wohl eher verdrängt: Es ist noch kein Jahr her, dass die Partei "Die Grauen" oder auch die "Graue Panther" unter dem Druck der Sperrung ihrer Parteikonten und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Funktionäre der Partei, den Beschluss fasste, sich aufzulösen.

     

    Den Parteifunktionären wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, gefälschte Belege beim Präsidium des Bundestages eingereicht zu haben - das ist nicht nur eine politische Zumutung, das wäre den wohl schlicht und einfach Betrug.

     

    Frage, was soll diese neue Rentnerpartei bewirken, was die Vorgängerpartei nicht auch schon hätte angehen können? Hat es nicht einen gewissen neoliberalen Beigeschmack, die eine Partei/Firma an die Wand zu fahren und nach der Insolvenz/Auflösung eine verdammt ähnliche Partei/Firma zu gründen/eröffnen?

  • HA
    Helmut Ankel

    Es ist an der Zeit, dass die Gruppe der Rentner, Pensionäre und Senioren sich zusammenschliesst, um sich gegen weitere Verunglimpfungen zu wehren. Es geht zu weit, dass sich Regierungsvertreter öffentlich abträglich über die Senioren aussern, sie mit Parasiten gleichsetzen und ähnliches mehr. Die diesbezüglichen Anwürfe eines ehemaligen Bundespräsidenten mit einer Pension, die 200.000 euro pro Jahr betragen soll, sind nachgerade abartig. Die kürzlich zu lesende Diätenanpassung der Parlamentarier gleichfalls. Eine Rentnerpartei mit eigener Kandidatenliste ist eine Möglichkeit, unsere Interessen zu schützen. Ich unterstütze eine solche Initiative

    ohne Vorbehalt. Helmut Ankel

  • JG
    Jürgen Gojny

    Nach den permanenten politischen Zumutungen darf es niemand verwundern, daß sich jenseits der Spezialdemokraten, selbsternannten Unionschristen, Neoliberalen, Ökos, Linkslastigen und SED-Belasteten neue Interessenparteien bilden, die das eingefahrene Parteienspektrum zum tanzen bringen.

  • H
    Hesse71

    Rentenbeitragszahler und Rentner sind eine gigantische Macht!

     

    Daher werden die Versuche diese Wählergruppe aufzuspalten nicht nachlassen! Was ist aus den ersten Rentnerparteien geworden? Die Grauen Panther wurden nach allen Regeln der Kunst zerlegt, die nachfolgende Graue Partei kommt nicht mehr aus den Startlöchern und auch die Allianz der Mitte tut sich immer schwerer gegen die vor den Wahlen plötzlich neu gegründete Konkurrenz durchzusetzen.

     

    20 x 1 % ist wohl besser als 1 x 20 % für die etablierten Politiker!

     

    Daher wird es der Allianz der Mitte oder auch weiteren Rentnerparteien in Zukunft wohl immer schwerer gemacht Ihre Wählergruppe die ca. 50 Mio. Rentenbeitragszahler und Rentner zu erreichen.

  • KH
    Karl Heinz

    Wieso muss dieser Herr *Schlaumeier Goerres den ersten Versuch sofort kleinreden.

    Wenn es passt, werden sofort Vergleiche herbeigerufen, die jeden Ansatz blockieren sollen.

    Müssen wir uns das eigentlich immer gefallen lassen?

    WAS ANDERE MACHEN MÜSSEN WIR DOCH NICHT AUCH NACHMACHEN:

    Es müsste uns erst recht anspornen, jetzt erst recht.Unsere Politiker haben es nicht anders verdient.

  • M
    Michael

    In unserem Lande wird die Vergangenheit erstaunlich schnell bewältigt - aber wohl eher verdrängt: Es ist noch kein Jahr her, dass die Partei "Die Grauen" oder auch die "Graue Panther" unter dem Druck der Sperrung ihrer Parteikonten und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Funktionäre der Partei, den Beschluss fasste, sich aufzulösen.

     

    Den Parteifunktionären wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, gefälschte Belege beim Präsidium des Bundestages eingereicht zu haben - das ist nicht nur eine politische Zumutung, das wäre den wohl schlicht und einfach Betrug.

     

    Frage, was soll diese neue Rentnerpartei bewirken, was die Vorgängerpartei nicht auch schon hätte angehen können? Hat es nicht einen gewissen neoliberalen Beigeschmack, die eine Partei/Firma an die Wand zu fahren und nach der Insolvenz/Auflösung eine verdammt ähnliche Partei/Firma zu gründen/eröffnen?

  • HA
    Helmut Ankel

    Es ist an der Zeit, dass die Gruppe der Rentner, Pensionäre und Senioren sich zusammenschliesst, um sich gegen weitere Verunglimpfungen zu wehren. Es geht zu weit, dass sich Regierungsvertreter öffentlich abträglich über die Senioren aussern, sie mit Parasiten gleichsetzen und ähnliches mehr. Die diesbezüglichen Anwürfe eines ehemaligen Bundespräsidenten mit einer Pension, die 200.000 euro pro Jahr betragen soll, sind nachgerade abartig. Die kürzlich zu lesende Diätenanpassung der Parlamentarier gleichfalls. Eine Rentnerpartei mit eigener Kandidatenliste ist eine Möglichkeit, unsere Interessen zu schützen. Ich unterstütze eine solche Initiative

    ohne Vorbehalt. Helmut Ankel

  • JG
    Jürgen Gojny

    Nach den permanenten politischen Zumutungen darf es niemand verwundern, daß sich jenseits der Spezialdemokraten, selbsternannten Unionschristen, Neoliberalen, Ökos, Linkslastigen und SED-Belasteten neue Interessenparteien bilden, die das eingefahrene Parteienspektrum zum tanzen bringen.

  • BJ
    Brauch Josef

    Es gibt einen Kinofilm "Hunde wollt ihr Ewig leben"

     

    Bei den derzeitig verantwortlichen mit Ihren überzogenen Monatsgehältern und staatlichen Altersversorgungen, stellt sich die Frage "Taugenichtse

    wollt Ihr Ewig leben.

  • S
    Schmidt ,Günther

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Es ist an der Zeit das die Rentner und Rentnerinen

    sich zusammenschliessen,also alle Landesverbände. Die etablierten Parteien haben wohl ihre Seniorenabteilungen ,dieses bewirkt nur eine Zersplitterung und bringt keinen Nutzen für dieselben.Es ist an der Zeit.

    G.S

  • H
    Hesse71

    Rentenbeitragszahler und Rentner sind eine gigantische Macht!

     

    Daher werden die Versuche diese Wählergruppe aufzuspalten nicht nachlassen! Was ist aus den ersten Rentnerparteien geworden? Die Grauen Panther wurden nach allen Regeln der Kunst zerlegt, die nachfolgende Graue Partei kommt nicht mehr aus den Startlöchern und auch die Allianz der Mitte tut sich immer schwerer gegen die vor den Wahlen plötzlich neu gegründete Konkurrenz durchzusetzen.

     

    20 x 1 % ist wohl besser als 1 x 20 % für die etablierten Politiker!

     

    Daher wird es der Allianz der Mitte oder auch weiteren Rentnerparteien in Zukunft wohl immer schwerer gemacht Ihre Wählergruppe die ca. 50 Mio. Rentenbeitragszahler und Rentner zu erreichen.

  • KH
    Karl Heinz

    Wieso muss dieser Herr *Schlaumeier Goerres den ersten Versuch sofort kleinreden.

    Wenn es passt, werden sofort Vergleiche herbeigerufen, die jeden Ansatz blockieren sollen.

    Müssen wir uns das eigentlich immer gefallen lassen?

    WAS ANDERE MACHEN MÜSSEN WIR DOCH NICHT AUCH NACHMACHEN:

    Es müsste uns erst recht anspornen, jetzt erst recht.Unsere Politiker haben es nicht anders verdient.

  • M
    Michael

    In unserem Lande wird die Vergangenheit erstaunlich schnell bewältigt - aber wohl eher verdrängt: Es ist noch kein Jahr her, dass die Partei "Die Grauen" oder auch die "Graue Panther" unter dem Druck der Sperrung ihrer Parteikonten und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Funktionäre der Partei, den Beschluss fasste, sich aufzulösen.

     

    Den Parteifunktionären wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, gefälschte Belege beim Präsidium des Bundestages eingereicht zu haben - das ist nicht nur eine politische Zumutung, das wäre den wohl schlicht und einfach Betrug.

     

    Frage, was soll diese neue Rentnerpartei bewirken, was die Vorgängerpartei nicht auch schon hätte angehen können? Hat es nicht einen gewissen neoliberalen Beigeschmack, die eine Partei/Firma an die Wand zu fahren und nach der Insolvenz/Auflösung eine verdammt ähnliche Partei/Firma zu gründen/eröffnen?

  • HA
    Helmut Ankel

    Es ist an der Zeit, dass die Gruppe der Rentner, Pensionäre und Senioren sich zusammenschliesst, um sich gegen weitere Verunglimpfungen zu wehren. Es geht zu weit, dass sich Regierungsvertreter öffentlich abträglich über die Senioren aussern, sie mit Parasiten gleichsetzen und ähnliches mehr. Die diesbezüglichen Anwürfe eines ehemaligen Bundespräsidenten mit einer Pension, die 200.000 euro pro Jahr betragen soll, sind nachgerade abartig. Die kürzlich zu lesende Diätenanpassung der Parlamentarier gleichfalls. Eine Rentnerpartei mit eigener Kandidatenliste ist eine Möglichkeit, unsere Interessen zu schützen. Ich unterstütze eine solche Initiative

    ohne Vorbehalt. Helmut Ankel

  • JG
    Jürgen Gojny

    Nach den permanenten politischen Zumutungen darf es niemand verwundern, daß sich jenseits der Spezialdemokraten, selbsternannten Unionschristen, Neoliberalen, Ökos, Linkslastigen und SED-Belasteten neue Interessenparteien bilden, die das eingefahrene Parteienspektrum zum tanzen bringen.