piwik no script img

Chaos-Tage: Ermittlungen gegen Polizei

■ Drei Zeugen versichern: Ein Polizeiauto hat in voller Absicht einen Jugendlichen überfahren

Bei der Bremer Staatsanwaltschaft ist im Zusammenhang mit den Chaos-Tagen am vergangenen Wochenende ein Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte anhängig. Die Beamte sollen am Samstagmorgen einen 20jährigen Mann auf der Sielwallkreuzung absichtlich überfahren haben. Der 23jährige Frank Crivellari will den Vorfall aus dem Fenster seiner Wohnung am Ostertorsteinweg beobachtet haben. Er hat gestern Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Unabhängig von Crivellari haben sich zwei weitere Zeugen öffentlich geäußert. Auch sie behaupten, die Polizei habe den Mann absichtlich überfahren.

„Auf der inzwischen menschenleeren Kreuzung torkelt ein Jugendlicher, anscheinend stark angetrunken über die Kreuzung. Circa einen Meter hinter ihm fährt im Schritt-Tempo ein großer Einsatzwagen (VW Kleinbus) mit der Einsatznummer 126. Dieser gibt plötzlich Gas und fährt den Mann von hinten an. Dieser strauchelt, geht wie in Trance weiter. Das Polizeifahrzeug fährt ein zweites Mal den Mann von hinten an. Diesmal bricht der Mann zusammen, und das Polizeifahrzeug überrollt ihn langsam mit dem linken Vorderrad“, heißt es in der Strafanzeige. Daß es sich um einen Unfall gehandelt haben könnte, hält Crivellari für ausgeschlossen. „Die Beamten sind dem Mann regelrecht nachgefahren“, sagt der Koch-Lehrling.

Eine Beobachtung, die der 22jährige Student Jens Wessels bestätigt. „Nachdem die Polizei den Mann das erste Mal mit dem Auto von hinten gerammt hatte, ist der Mann nach links an das Fußgängergitter geschubst worden. Der Wagen ist richtig nach links gelenkt worden – auf die falsche Fahrspur.“ Nach dem Vorfall hätte er sich sofort als Zeuge gemeldet, erzählt Wessels weiter. Doch die Beamten hätten ihm nur „gedroht“. „Ein Beamter hat gesagt, Du kannst eine in die Fresse haben“, berichtet er. „Die haben gesagt, daß meine Aussage nichts nützen würde. Die Polizei hätte auch viele Zeugen und Falschaussage wäre strafbar. Ich solle mir das gut überlegen.“

Daß die Polizisten nicht bereit waren, Zeugenaussagen zu protokollieren, mußte auch der Taxifahrer Thomas Rusch erfahren. „Ich habe gesehen, wie ein Mannschaftswagen einen jungen Mann, man kann fast sagen im Schrittempo, vor sich her getrieben hat“, sagte er im News-Desk bei Radio Bremen. Nachdem der Polizeiwagen den Mann das erste Mal angestoßen hätte, sei der gegen Fußgänger-Gitter gelaufen, erzählt auch Rusch. „Dann hab' ich gedacht, ich traue meinen Augen nicht. Da hat der Wagen noch einmal Gas gegeben. Der Mann ist umgefallen wie ein Brett. Ich bin aus dem Taxi gesprungen und habe geschrien, das kann doch wohl nicht wahr sein. Doch die Beamten sind nicht ausgestiegen.“

Das Opfer selbst kann sich kaum an den Vorfall erinnern. „Ich bin von dem Polizeiwagen angestoßen worden und habe wohl einen heftigen Schock bekommen.“ Eine Nacht verbrachte er im Krankenhaus. „Mein ganzes Bein ist blau und tut tierisch weh. Ich kann den Arm nicht richtig bewegen“, beschreibt er seine Verletzung. Auch er will Strafanzeige stellen.

Polizeipräsident Rolf Lüken wollte sich gestern gegenüber der taz nicht äußern. Auch das Innenressort hielt sich bedeckt. „Das war ein Verkehrsunfall und wird auch so behandelt“, sagte Stefan Luft, Sprecher des Innensenators. Zuvor hatte Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) die Polizei gelobt: Sie hätten „sich nicht provozieren lassen, aber umsichtig verhindert, daß es zu Personenschäden oder Sachschäden“ gekommen sei. kes

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen