: Unverbraucht mit „Mut zur Macht“
Die „Feministische Partei – Die Frauen“ zieht in den Wahlkampf ■ Von Ulrike Winkelmann
Die Gründungsriten wurden Anfang Juli vollzogen, als nächstes wird „Mut zur Macht“ bewiesen, verkündet Rita Saager, Sprecherin des Landesverbands Hamburg der „Feministischen Partei – Die Frauen“. Weil Frausein allein noch kein Programm ist, arbeiten die derzeit 44 Hamburger „Mitfrauen“ (Eigenbezeichnung) eifrig an einem politischen Profil. Das „Kurzprogramm“, das vom „Frauen“-Bundesverband herausgegeben wurde, klingt allerdings nach grüner Politik Anfang der Achtziger mit Mutter-Kind-Schwerpunkt.
„Darüber haben wir uns auch ein bißchen gewundert“, sagt Saager. Das Programm, das die Hamburgerinnen derzeit entwerfen, soll vielseitiger werden, „und konkreter“. Derzeit bestückt der aktive Kern der Mitfrauen Arbeitsgruppen zu Erziehung/Schule, Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Erwerbsarbeit, Behinderten, Stadtplanung und feministischer Naturwissenschaft. Für das Antidiskriminierungsgesetz zum Beispiel seien sie, gibt Saager an, weitere Forderungen seien noch in Arbeit. In jedem Fall werde sich die Partei jedoch links der SPD wiederfinden.
„Auch die Grünen wurden zu Anfang belächelt“, gibt sich Mit-Sprecherin Sabine Schmidt-Schütte optimistisch, was die Chancen ihrer nigelnagelneuen Partei angeht. Umfragen haben ergeben, daß mehr als 48 Prozent aller Männer und Frauen eine Frauenpartei für sinnvoll halten. Wenn die bei den nächsten Wahlen auch alle die „Frauen“ wählten... ja was dann? Sind Frauen die besseren Politiker?
„Frauen haben ein noch unverbrauchtes politisches Potential“, meint Saager, „ihre Herangehensweise an Probleme ist bisher nicht genug ins Gewicht gefallen.“ Allerdings seien ihr angesichts der parlamentarischen Praxis, die sie sich ab und an mittwochs bei Bürgerschaftssitzungen angeschaut habe, „Zweifel gekommen, ob ich allen Ernstes da mitmachen will“. Jedoch: Der „augenblickliche Seinszustand ist eine Farce“, deshalb müßten Frauen „an die Schalthebel“. Auf den Emanzipationsprozeß der Gesellschaft und die Quotierung von SPD und GAL hoffen die „Frauen“ nicht mehr. Es sei eine alte Erfahrung, daß bei Parteien, die mit feministischen Ambitionen angefangen hätten, „die Frauenthemen nach hinten gerutscht sind“, erklärt Schmidt-Schütte. Auch sie habe mal mit dem Arbeitskreis sozialdemokratischer Frauen geliebäugelt, dann jedoch von der Gründung der „Frauen“ im Juni 1995 in Kassel erfahren und im Frauenbildungszentrum Denk(t)räume mitbekommen, daß auch in Hamburg eine Gründung geplant sei.
Von den 18 Frauen, die am 6. Juli das Lied „Frauen in die erste Reihe, auf die ersten Plätze...“ anstimmten, kamen einige aus christlich-kirchlichen Zusammenhängen. Der reaktionäre Aufbau der Kirchen „fördert den Ausbruch von Frauen“, sagt Sabine Schmidt-Schütte; sie selbst habe die Arbeit in der evangelischen Nordelbischen Landeskirche aufgegeben. Rita Saager wurde aus der Baptistenkirche rausgeworfen, nachdem sie begann, „offensiv als Lesbe zu leben und zu wirken“.
Der typische „Frontenkrieg zwischen Lesben und Heteras“ gehöre bisher nicht zu den internen Konflikten der „Frauen“, erklärt Saager. Die Mitfrauen seien sexuell nicht übermäßig festgelegt – „da sind die Übergänge eher gleitend“. Frau streite sich gegenwärtig eher über die Frage, „inwieweit wir bereit sind, unsere Gesichter zu Markte zu tragen“, ergänzt Schmidt-Schütte. Zur Öffentlichkeitsarbeit seien noch nicht alle Mitfrauen fähig.
Deshalb hat das Material, das die „Frauen“ zur Gründung an die Presse verteilten, wohl auch etwas tantig ausgesehen. „Wir wollten nicht perfektionistisch wirken, uns aber auch nicht im Vorfeld durch Dilettantismus disqualifizieren“, erklärt Schmidt-Schütte. „Was wir dringend brauchen, ist ein Logo.“ Jenseits des PR-Notstands müssen die „Frauen“ zunächst einmal durch das Anerkennungsverfahren durch. „Derzeit hängen wir in der Verwaltung fest“, sagt Saager. Um zur Wahl zugelassen zu werden, müssen sie 500 Unterschriften sammeln. Denn „im Oktober werden wir in den Wahlkampf einsteigen“.
Die „Frauen“ treffen sich jeden ersten Mittwoch im Monat um 20 Uhr in den Räumen der „Denk(t)räume“, Grindelallee 43
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