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Belgische Trauer um die Opfer, weltweite Suche nach den Tätern

■ Berichte über Ermittlungsfehler im Kinderporno-Mordfall: Die Polizei hatte Hinweise einfach nicht ernst genommen

Lüttich/Brüssel (AFP/dpa/rtr) – In Belgien ist gestern der beiden Mädchen Julie und Melissa gedacht worden. Die beiden waren im Haus des inzwischen verhafteten Marc Dutroux verhungert, nachdem sie monatelang sexuell mißbraucht und pornographisch gefilmt worden waren. Ihre Leichen waren im Garten Dutroux‘ vergraben.

In Lüttich nahmen etwa 5.000 Menschen an der Trauerfeier für die Kinder teil. Zu Beginn der Zeremonie läuteten im ganzen Land die Glocken, in den Behörden wurde eine Schweigeminute eingelegt. Die beiden anwesenden Minister wurden von den Trauergästen als „Mörder“ und „Schurken“ beschimpft. Die belgische Justiz steht im Kreuzfeuer der Kritik, weil Dutroux, der 1989 zu einer Gefängnisstrafe von dreizehneinhalb Jahren verurteilt worden war, bereits 1993 entlassen wurde.

An der Trauerfeier nahmen auch die Eltern einiger noch vermißter Kinder und Jugendlicher teil. Der Vater der 17jährigen An, die vor genau einem Jahr mit der 19jährigen Eefje von Dutroux entführt wurde, erklärte, es gebe keine neuen Informationen über den Verbleib der Teenager.

220 Experten durchsuchten Häuser und Grundstücke Dutroux'. Sie sollten mit Radargeräten ausgestattet werden, die auch bei der Durchsuchung des Hauses der englischen Horrorhaus-Mörder Rosemary und Frederick West benutzt wurden. John Bennett, ein Fahndungsexperte, der im Fall West ermittelt hatte, reiste zur Unterstützung der Untersuchungsbehörden nach Belgien.

Am Mittwoch wurde auch bekannt, daß es bei der Suche nach Julie und Melissa Pannen gegeben hat. Der Fernsehsender RTL-TVI veröffentlichte vertrauliche Notizen, die den Ermittlern angeblich bereits im Sommer 1995 zugespielt wurden. Darin finden sich deutliche Hinweise auf die Aktivitäten von Dutroux. „Es ist uns gesagt worden, daß er (Dutroux) mit Arbeiten in Kellern eines seiner Häuser beschäftigt ist, um dort Kinder einzuquartieren, die ins Ausland geschickt werden sollen“, steht in einem Papier von Ende 1993. Anfang August bekamen die Ermittler in Lüttich eine Notiz, in der das Vorgehen von Dutroux bei Kindesentführungen beschrieben wird. „Es reicht, sie mit einer Hand auf dem Mund festzuhalten. Wenn sie einmal im Auto sind, können sie nicht mehr flüchten, weil die Kindersicherung eingeschaltet ist.“ Der Preis variiere zwischen 5.000 und 7.500 Mark.

Die Polizei im südafrikanischen Pretoria schließt unterdessen eine Verbindung zwischen dem belgischen Fall und dem Verschwinden von fünf Mädchen in Pretoria vor acht Jahren nicht aus. Das Vorgehen bei den Entführungen sei genauso gewesen wie in den belgischen Fällen.

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