: Clintons Cruise-Missiles im Kreuzfeuer
■ Rußland und China kritisieren die US-Angriffe im Irak und verhindern eine antiirakische Resolution des UN-Sicherheitsrats. Oppositionelle Iraker berichten von Kämpfen und Verhaftungen in Kurdistan
London/Moskau/Bagdad (AP/ AFP/taz) – Die US-Regierung wird wegen ihrer Angriffe auf den Irak zusehends kritisiert. Außenminister Warren Christopher bemühte sich deswegen gestern in London und Paris um Unterstützung. Harte Kritik kam vor allem von den beiden übrigen ständigen Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat, China und Rußland. Beide sprachen von einem Verstoß gegen internationales Recht. Rußlands Präsident Boris Jelzin erklärte, das US-Vorgehen sei ein „gefährlicher Präzedenzfall in der internationalen Politik“. Sicherheitsberater Alexander Lebed warf Washington vor, sich „wie ein Elefant im Porzellanladen“ aufzuführen.
Nachdem Frankreich die US- Angriffe mit deutlicher Reserviertheit aufgenommen hatte, wollte Christopher in Paris die weitere französische Beteiligung an der Überwachung der beiden Flugverbotszonen erreichen. Im Süden haben die USA die Flugverbotszone um 111 Kilometer vom 32. auf den 33. Breitengrad ausgedehnt. US-Luftwaffengeneral John Ralston sagte gestern, am Mittwoch hätten sich neben US-amerikanischen und britischen auch französische Kampfflugzeuge an den Patrouillen beteiligt.
Der UN-Sicherheitsrat konnte sich am Mittwoch abend auf keine Resolution einigen. Ein britischer Entwurf, den Vorstoß der irakischen Truppen nach Norden zu verurteilen, die US-Angriffe jedoch nicht zu erwähnen, scheiterte.
Das chinesische Außenministerium erklärte gestern, die US-Angriffe hätten in Peking „großes Mißfallen“ erregt. „Die allzu schnelle Anwendung von Gewalt gegen einen souveränen Staat“ habe „die einschlägigen Normen des internationalen Rechts schwer verletzt und Lage und Spannungen in der Region verschärft“.
Bill Clinton erklärte die Militäraktion am Mittwoch abend für beendet. Iraks Staatschef Saddam Hussein wisse jetzt, „daß es für das Überschreiten der Grenze einen Preis zu zahlen gibt.“ Die irakischen Stellungen seien entweder zerstört oder genügend beschädigt worden. Das US-Militär wies unterdessen irakische Meldungen zurück, es habe Bagdad am Mittwoch abend erneut angegriffen. In einer irakischen Erklärung hieß es, die Luftabwehr habe zahlreiche US- Raketen abgeschossen, die auf „militärische Einrichtungen und dichtbevölkerte zivile Gebiete“ zum Ziel hatten. In Bagdad waren am Mittwoch abend Flugabwehrfeuer und Luftschutzsirenen zu hören. Ein im irakischen Fernsehen gezeigter zwei Meter breiter und ein Meter tiefer Krater in dem Wohnviertel al-Hurrija ist nach Angaben von US-Militärs aber zu klein, um von einem Cruise-Missile zu stammen. Bei der Explosion wurden nach irakischen Angaben zwei Menschen getötet und acht verletzt.
Die Patriotische Union Kurdistans (PUK) meldete gestern einen erneuten irakischen Angriff in der Flugverbotszone nördlich des 36. Breitengrads. Die Ortschaft Bestana, 25 Kilometer südöstlich der kurdischen „Hauptstadt“ Arbil, sei heftig umkämpft. Die PUK war am Wochenende von irakischen Truppen auf Bitten der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) aus Arbil vertrieben worden.
Weiterhin unklar ist die Situation in der Stadt selbst. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker haben die irakischen Truppen etwa 5.000 Zivilisten aus Arbil verschleppt. Erfahren habe die Organisation diese Informationen telefonisch von „Vertrauenspersonen“ in Arbil. Als Kurden verkleidete irakische Geheimdienstler hätten die Stadt nach Oppositionellen durchkämmt. Dabei seien hochrangige PUK-Funktionäre verhaftet worden. Außerdem habe die Armee 95 ehemalige Offiziere, die während des Golfkriegs desertiert waren, aufgespürt und exekutiert. Der oppositionelle Irakische Nationalkongreß berichtete gestern, die Iraker hätten in Arbil 1.500 Personen verhaftet. Sie seien in die Stadt Kirkuk gebracht worden.
Unterdessen marschierten an der irakisch-türkischen Grenze weiter türkische Truppen auf. Der türkische Privatsender ATV berichtete gestern, sie bereiteten einen Einmarsch in den Nordirak vor. Ziel sei die Schaffung einer bis zu zehn Kilometer breiten „Sicherheitszone“ gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
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