piwik no script img

Hat der Polizeipräsident gelogen?

■ Chaos-Tage: Anwälte erheben schwere Vorwürfe gegen Polizeiführung

Bremer Anwälte haben im Zusammenhang mit den Chaos-Tagen schwere Vorwürfe gegen Polizeipräsident Rolf Lüken erhoben. „Der Polizeipräsident hat die Unwahrheit gesagt“, kritisiert Rechtsanwalt Hans Meyer-Mews. Gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Stucke hatte er während der sogenannten Chaos-Tage vom 2. bis zum 4. August Notdienst. 27 MandantInnen, die im Polizeigewahrsam festgehalten oder denen Platzverweise erteilt wurden, werden durch ihre Büros vertreten. Nach dem Studium der Ermittlungs akten steht für die Juristen jetzt zweifelsfrei fest: Der Polizeipräsident hat den Innendeputierten in seiner Stellungnahme zu dem Polizeieinsatz auf die Anfrage der Grünen nicht die Wahrheit gesagt: So habe Lüken ausdrücklich verneint, daß die Jugendlichen lediglich wegen ihres „punktypischen Aussehens“ in Polizeigewahrsam genommen wurden. „In den uns bekannten Fällen wurden die Jugendlichen allerdings nur aufgrund ihres Aussehens mitgenommen“, so Stucke. Konkretere Vorwürfe seien den Jugendlichen auch später nicht gemacht worden. Im Gegenteil: In den Akten befänden sich sogar Flugblätter, die gar nicht bei den Jugendlichen sichergestellt worden seien. „Die Ermittlungsakten sind in Nachhinein hergestellt worden. Die Beamten haben Flugblätter und Fakten gesammelt und sie um den Einzelfall herumgestellt“, sagt Meyer-Mews. Ihm sei darüber hinaus kein Fall bekannt, in dem die Polizisten den Grund der Ingewahrsamnahme auf dem dafür vorgesehenen Formular angekreuzt hätten. Auch daß die Jugendlichen 15 bis 17 Stunden im Polizeigewahrsam verbracht haben, decke sich nicht mit den Ermittlungsakten. „Die längste Ingewahrsamnahme dauerte 30 Stunden. Manche Jugendlichen wurden auch 22 Stunden festgehalten“, weiß Stucke. Die Behauptung Lükens, die Polizei habe allen Gefangenen die Möglichkeit gegeben, sich mit Anwälten in Verbidung zu setzen, sei schlicht „falsch und gelogen“. Die Beamten in der Gefangenensammelstelle hätten nur ein D2-Handy gehabt. Damit hätten – von drei Ausnahmen abgesehen – nicht die rund 300 Gefangenen telefonieren dürfen, sondern nur die Beamten. „Die Gespräche wurden außerdem abgehört und unterbrochen“, berichtet Stucke „aus eigener Erfahrung“. Auch daß keine als Punks verkleidete Polizisten im Einsatz gewesen seien, ist widerlegt. In einem Bericht der Polizei heißt es dazu: Tatbeobachter in Zivil, Punker bzw. Szeneoutfit seien erkannt worden. Ihr VW-Bulli sei daraufhin demoliert worden.

„Der Polizeipräsident ist nicht über alle Inhalte der Berichte informiert worden“, ist alles, was der stellvertretende Polizei-Chef Eckhard Mordhorst zu den Vorwürfen sagen will. Lüken sei in Urlaub und solle selbst Stellung nehmen. Unterdes haben Meyer-Mews und Stucke vor dem Verwaltungsgericht sowie dem Amtsgericht für ihre Mandanten Klage eingereicht. Um Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche durchzusetzen, wollen sie gerichtlich feststellen lassen, daß die Platzverweise ungültig waren und ihre Mandanten zu Unrecht in Gewahrsam genommen wurden. Sie rechnen sich gute Chancen aus. „Das ist juristisch so klar. Da ist man als Jurist gar nicht gefordert.“ kes

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen