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"Wir wollen Verbrauchslimits"

■ Toni Engberding, Verkehrsexperte bei der IG Metall, über die Dienstwagensteuer. Die Gewerkschaft lehnt sie ab: Jobs sind in diesem konkreten Fall wichtiger als Umweltschutz

Auf dem Pariser Autosalon stellen Mercedes, BMW und Porsche derzeit ihre neuen sportlichen Coupés vor, in Berlin beginnt in der kommenden Woche die aaa-Autoausstellung. Hersteller und Gewerkschaften sitzen beim Werben für große, schicke Autos gemeinsam hinterm Steuer.

taz: Die IG Metall fordert einerseits die drastische Senkung von Auto-Emissionen. Zugleich hat sie gegen die Anfang des Jahres eingeführte Dienstwagensteuer protestiert. Sie gilt für Autos, die teurer als 55.000 Mark sind. Gerade diese teuren Wagen aber sind PS-stark, schwer und verdrecken die Luft besonders stark.

Toni Engberding: Wir wissen, daß die Dienstwagenbesteuerung zu weniger Emissionen führt. Aber die Betriebsräte der Hersteller, die diese großen Wagen produzieren, sind an uns herangetreten und haben gesagt: Wir haben Auftragsrückgänge bei diesen Wagen von 20 bis 25 Prozent – und damit entsprechende Beschäftigungseinbußen. Da haben wir uns gefragt, ob diese Steuer eigentlich der richtige Weg ist, um unsere umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Und wir haben außerdem festgestellt, daß die Dienstwagenbesteuerung zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Deshalb haben wir eine Erhöhung der Abschreibungsdauern für alle Dienstwagen, also auch die kleineren, gefordert. Das hätte beim ganzen Wagenpark wohl zu einer gewissen Verkehrsverminderung geführt. Aber wir sehen das natürlich in erster Linie unter beschäftigungspolitischen Aspekten.

Teure Autos schaffen mehr Arbeitsplätze. Sie haben den Konflikt von Jobs und Ökologie hier zugunsten der Jobs entschieden.

Ja, so könnte man das interpretieren. Allerdings in einem sehr konkreten Punkt, der zusätzlich noch negative Wirkungen wie Wettbewerbsverzerrungen hatte. Unser Ziel einer ökologischen Gestaltung eines Verkehrssystems haben wir nicht aufgegeben.

Aber an dem konkreten Punkt, an dem es einen Schritt in Richtung umweltverträglicherer Verkehr gab, will die IG Metall den Schritt rückgängig machen.

Die Frage ist ja, ob wir aus der gesamten Wagenpalette einen geringen Teil herausnehmen, der entsprechende Nebenwirkungen hat, oder ob wir sagen, wir beseitigen insgesamt die umweltschädlichen Regelungen des gesamten Steuersystems und besteuern die Ressourcenverbräuche stärker. Wir sind damals parallel mit einem Vorschlag zur ökologischen Steuerreform rausgekommen.

Warum das eine tun und das andere nicht lassen? Ein ökologischer Umbau hat viele Schritte.

Nachhaltige Entwicklung wird häufig nur unter dem Umweltaspekt diskutiert. Wenn man aber anguckt, was in Rio besprochen wurde, dann ist das ein Zusammenwirken von ökologischen, sozialen und ökonomischen Faktoren. Wir haben die sozialen Faktoren dabei nicht außer acht zu lassen. Bei dem Konflikt mit der Dienstwagenbesteuerung war es schwierig, sich zwischen den beschäftigungspolitischen und ökologischen Zielen zu entscheiden.

Die Arbeitgeber können sich freuen: Anscheinend sitzen Arbeitgeber und -nehmer gemeinsam hinter dem Steuer – und die Umwelt fällt hintenrunter.

Bei diesem ganz konkreten Punkt, der dadurch bedingt war, daß in Bonn schlechte Politik gemacht wurde, scheint es vielleicht so. Aber wenn unsere Vorschläge verwirklicht worden wären, hätte das die gleiche, wahrscheinlich sogar eine höhere Wirkung. Wir vermuten übrigens, daß die Dienstwagenbesteuerung bald fallen wird und es dafür zu einer Erhöhung der Mineralölsteuer kommt, was wir begrüßen werden.

Die Steuern der Bosse umverteilen auf alle Autofahrer...

Eine Mineralölsteuer trifft alle Autofahrer. Es wird darüber diskutiert werden müssen, ob nicht für Leute, die im Berufsverkehr auf ihr Auto angewiesen sind, gewisse steuerliche Erleichterungen gefunden werden müssen. Aber: Die Preise im Verkehr sind verzerrt, Autofahren ist zu billig, es muß zu einer Erhöhung der Mineralölsteuer kommen. Schließlich ist die real in den letzten 20 Jahren nicht gestiegen, im Gegenteil.

Welchen Benzinpreis schlägt die IG Metall vor?

Wir können da keinen Wert sagen. Die Anhebung wird mindestens die Einnahmen aus der jetzigen Dienstwagenbesteuerung kompensieren.

Die Dienstwagensteuer bringt nur etwa eine Milliarde Mark. Welche staatlichen Lenkungsinstrumente fordert die IG Metall außer einer geringfügigen Anhebung der Mineralölsteuer?

Wir verlangen von der Bundesregierung, daß sie konkrete Vorgaben macht. Es gibt ein enormes Innovationspotential, wenn es konkrete Verbrauchslimits gibt. Wir fordern außerdem seit 1990 Geschwindigkeitsbegrenzungen.

Bei Höchstgeschwindigkeit von 120 auf Autobahnen und 30 in der Stadt braucht man keine großen Autos mehr. Eine neue Gefahr für das teure Marktsegment.

Wir werden zu einer Differenzierung kommen. Was wir jetzt produzieren, ist die Renn-Reise- Limousine. Das ist nicht das Auto, das künftig in der Stadt fahren soll. Da werden leichtere und billigere Autos, zum Teil mit anderem Antrieb als bisher, eine größere Rolle spielen. Natürlich gibt es auch einen Riesenbedarf an Weitstreckenautos. Diese Autos aber müßten anders aussehen – in Richtung bequemeres, mühefreieres Fahren. Das werden größere Autos sein. Interview: Annette Jensen

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