Verschwenderische Bildung

■ MigrantInnen ohne gesicherten Aufenthalt bekommen keinen Unterhalt mehr, wenn sie zur Schule gehen

Eine besondere Härte in Kauf nehmen muß, an wen die Behörden kein Geld verschwenden wollen – denn das Geldausgeben ist den Ämtern nicht zuzumuten. So argumentiert das Bezirksamt Hamburg-Nord. Der Ivorier Alyno S. soll deshalb nicht zur Schule gehen. Die Finanzierung seines Unterhaltes sieht das Bezirksamt als „Vergeudung erheblicher Gelder“ an.

Würde Alyno S. keine Ausbildung machen, wäre sein Unterhalt gesichert. Dann würde der 19jährige Sozialhilfe beziehen. Das tat er auch, seit er 1993 als minderjähriger, unbegleiteter Flüchtling nach Hamburg kam. Im Sommer 1996 machte er seinen Hauptschulabschluß. Erst als er sich anschließend in einer Fachschulvorbereitungsklasse der staatlichen Handelsschule anmeldete, bekam er Probleme mit den Behörden.

Die Handelsschule ist Bafög-anerkannt. Dem Grunde nach ist damit auch Alyno S. förderungsberechtigt. Aber Alyno S. ist Asylsuchender – und als solcher per se vom Bafög-Bezug ausgeschlossen. Als letzter Notanker bliebe die Sozialhilfe. Doch als Schüler verliert er seinen Anspruch darauf. Seit August sind somit alle Geldhähne für Alyno S. zugedreht.

Sein Finanzproblem teilt er mit mehreren tausend AusländerInnen in Hamburg. Bis 1994 zahlten die Sozialämter für minderjährige Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthalt auch dann, wenn sie eine für Bafög-anerkannte Schule besuchten. Als das Sozialamt Fuhlsbüttel sich in einem Fall weigerte, kam eine Diskussion ins Rollen, die mit der Einrichtung von Sonderschulen für Jugendliche ohne festen Aufenthaltsstatus endete. Während die AusländerInnen hier ihr „Vorbereitungsjahr für Migrantinnen und Migranten“ absolvieren, beziehen sie weiterhin Sozialhilfe.

Die Pferdefüße dabei sind erst auf den zweiten Blick erkennbar: Die MigrantInnen sind in gesonderten Klassen isoliert. Das Sozialamt zahlt nur, weil diese Schulen nicht Bafög-berechtigt sind. Und das sind sie nicht, weil „das Angebot sehr schlecht ist“, sagt Edith Meyering, stellvertretende Vorsitzende des Personalrates der Berufsschulen. Die Flüchtlinge bekämen zu wenig Unterricht, und unqualifizierte LehrerInnen müßten die Klassen übernehmen.

Auf andere Schulen auszuweichen, ist aus Geldgründen nicht möglich. Das Bezirksamt Hamburg-Nord sieht das im Falle von Alyno S. anders: „Es ist ihm zuzumuten, mit der Ausbildung zu warten, bis über seinen Asylantrag entschieden ist.“ Und überhaupt hätte Alyno S. vor dem Schulbesuch das nötige Geld ansparen können. Da bezog er Sozialhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – 20 Prozent weniger als den regulären Satz.

Elke Spanner