: „Launisch, aber großzügig“
■ Amerikaner wegen Mordes an dem Heizöl-Millionär Malicha vor Gericht
Der Tote zählte zu den größten Brennstoffhändlern der Hauptstadt und hatte Geld wie Heu: Gerhard Malicha war der erste, der mit dem Verkauf von schwefelarmem Heizöl bei der BVG einen Großauftrag an Land zog. „Die Welt hört nicht hinter dem Schornstein auf“, erkannte Malicha Anfang der 90er. Im Gegensatz zu anderen Millionären wurde der 69jährige im August vergangenen Jahres jedoch nicht wegen seines Geldes zum Opfer eines Verbrechens. Davon ist zumindest die Staatsanwaltschaft überzeugt, die einen 33jährigen Amerikaner wegen Mordes und versuchten Mordes anklagte. Doch der 33jährige Anthony D., der sich seit gestern vor dem Landgericht verantworten muß, bestreitet die Tat.
Es geschah in der in Dahlem gelegenen Maisonettewohnung des Millionärs. Der an der Parkinsonschen Krankheit leidende Malicha wurde schon seit längerer Zeit rund um die Uhr von drei Krankenpflegerinnen betreut, die sich abwechselten. Zur Tatzeit hatte die 27jährige Simone B. Dienst. Ihre Kollegin, die am Nachmittag zur Ablösung kam, machte den grausigen Fund. Simone B. und Malicha lagen mit schweren Schädelverletzungen blutüberströmt in zwei verschiedenen Zimmern des Hauses. Im Gegensatz zu Malicha, der wenige Wochen später im Krankenhaus starb, überlebte die Therapeutin. Nach etlichen Operationen und fast zwei Monaten im Koma machte die Frau eine Aussage und belastete darin den Angeklagten schwer.
Anthony D. ist nämlich der ehemalige Verlobte von Simone B. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß er die 27jährige Frau töten wollte, weil sie die Beziehung zu ihm beendete und ihn aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen hatte. Der Angeklagte will sich erst morgen zu den Vorwürfen äußern. Nach Angaben seiner beiden Verteidiger wird er die Taten jedoch bestreiten. In einer Prozeßpause wiesen die Anwälte gestern darauf hin, daß der Amerikaner die im Koma liegende Simone D. häufig im Krankenhaus besucht habe. Wenn er der Täter wäre, hätte er Deutschland doch schnellstens verlassen. „Wir glauben nicht, daß Simone B. bewußt lügt, aber daß sie möglicherweise etwas durcheinanderbringt“, spielten die Anwälte auf die schweren Hirnverletzungen der jungen Frau an.
Nach Ansicht der Verteidiger kommen auch andere Personen als der Angeklagte als Täter in Betracht. Im Verdacht standen früher auch die beiden anderen Krankenpflegerinnen des Millionärs. Eine 37jährige Frau war gestern als erste Zeugin geladen. Zuerst erweckte sie bei ihrer Aussage den Eindruck, als habe sie den Millionär aufopferungsvoll Tag und Nacht gepflegt. Dann kam nach und nach heraus, daß sie dafür nicht nur mit einem reichlichen Verdienst von rund 9.000 Mark im Monat entlohnt worden war, sondern auch ständig Geldgeschenke erhielt. Einmal 14.000 Mark in Form von Schmuck, einmal sogar 100.000 Mark.
Malicha sei „sehr launisch“, aber auch „sehr großzügig“ gewesen. Das hatte die Krankenschwester jedoch nicht davon abgehalten, sich von dem Millionär zwei Überweisungsschecks im Wert von jeweils 5.000 Mark für angeblich im Haushalt benötigte Dinge unterschreiben zu lassen und als Empfänger ihre eigene Kontonummer einzutragen. Auf Vorhalt des Richters sagte sie dazu gestern stotternd: „Ich habe mich verschrieben.“ Auf Nachfrage der Verteidiger kam heraus, daß die Frau früher schon einmal ihre Arbeit in einem Krankenhaus verloren hatte, weil sie dort 200 Mark geklaut hatte.
Nach Angaben der Rechtsanwältin, die Simone B. als Nebenklägerin vertritt, hat diese eine bleibende Behinderung durch die Tat davongetragen. Simone B. sei aber „zeugentüchtig“ und werde gegen Anthony D. aussagen. Die junge Frau wird morgen das erste Mal in den Zeugenstand treten. Weil sie nicht länger als eine Stunde vernommen werden darf, hat sie das Gericht für vier Verhandlungstage geladen. Plutonia Plarre
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen