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Die Nelkenverteilung

■ Während der sozialistischen Größen, Rosa und Karl, mit Blumengebinden gedacht wird, werden die kleinen, aber feinen Kommunisten mehr oder weniger vergessen

Rote Nelken für Rosa und Karl türmten sich am 12. Januar, dem Gedenktag ihrer Ermordung, auf beider Marmorplatten im zentralen Geviert der sozialistischen Gedenkstätte in Lichtenberg. Auch Wilhelm Pieck und Teddy Thälmann kriegten ihren gerechten Anteil, die beiden sozialdemokratischen, im KZ ermordeten Rudis (Breitscheid und Hilferding) konnten sich auch nicht beklagen, Walter U. und Otto G. profitierten von den bekannten Trotzreaktionen, aber Johnny Scheer, Teddys Kumpel, Hamburger KPD-Funktionär, von den Nazis 1934 ermordet, ging fast leer aus. Niemand kannte ihn mehr, und er lag auf der dem Publikum abgewandten Rückseite des Gevierts.

Von der sozialdemokratischen Gründergeneration, die links im Halbrund hinter dem Geviert begraben liegt, wurde am häufigsten Wilhelm Liebknechts, des Vaters von Karl, gedacht. Marx und Engels, die beide keine allzu große Meinung von Wilhelm, dem Publizisten und Denker, hatten, werden es vom Sozialistenhimmel mit gemischten Gefühlen beobachtet haben.

Hinter dem Halbrund hat die sozialistische Einheitspartei seit den fünfziger Jahren eine Reihe von weiteren Gevierten für treue Genossen der Zentrale errichten lassen. Die akkurat aufgereihten, uniform gestalteten Grabsteine sind im 7. Jahr der deutschen Einheit von den Angehörigen zum Teil individualisiert worden. Man entdeckt winterfeste Blumenbeete, Bäumchen. Die weitaus meisten Fußspuren führen zum blumenüberhäuften Grab von Konrad Wolf, dem Filmemacher und undogmatischen Sozialisten, der schließlich nichts für seinen mißratenen Bruder Mischa kann. Georg Benjamin hingegen, Armenarzt im Wedding, Kommunist, Bruder Walter Benjamins und Opfer des Naziterrors, muß für die Untaten seiner Frau Hilde büßen. Das Wirken der schrecklichen SED-Juristin sorgte dafür, daß an beider Grab keine Blume niedergelegt wurde.

Paul Merker, der einzige führende deutsche Kommunist, der die katastrophale Bedeutung des Mordes an den europäischen Juden erkannt und deshalb als Zionist verfolgt wurde, hat es an diesem Sonntag immerhin auf zwei Nelken gebracht. Leer hingegen ging Jakob Walcher aus, der bedeutende kommunistische Gewerkschafter, Freund und Genosse der „Rechtsabweichler“ Brandler und Thalheimer. Die drei hatten mit linken Sozialdemokraten Ende der 20er Jahre die KPD- Opposition gegründet und erfolglos gegen die „Sozialfaschismus“- Linie der KPD angekämpft.

Zum Schluß eine freudige Überraschung: mehrere Blumen am Grab von Zenzi Mühsam, die bis zu ihrem Tod für die Anerkennung Erich Mühsams, des von den Nazis zu Tode gefolterten, großen Anarchisten, kämpfte. Daß sie dabei eine Reihe von Kompromissen einging, ist ihr am 12. Januar großmütig verziehen worden. C.S.

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