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Ein Mann streitet für sich und damit für Frauen

■ Hamburger klagt vor Europäischem Gerichtshof wegen Diskriminierung im Job

Freiburg (taz) – Wenn Männer gegen Männerdiskriminierung streiten, kann dies (manchmal) auch den Frauen nützen. Vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) klagt derzeit ein Mann, der sich auf eine Stelle beworben hatte, für die eine Frau gesucht wurde. Der Mann verlangt nun Schadensersatz – und zwar mehr, als ihm nach deutschem Recht zustehen würde. Der Generalanwalt am EuGH gibt ihm recht: Das restriktive deutsche Recht verstoße gegen eine 20 Jahre alte EU-Richtlinie.

Vor zwei Jahren hatte sich Niels B. auf eine skurrile Annonce beworben. „Für unseren Vertrieb suchen wir eine versierte Assistentin. Wenn Sie mit den Chaoten unseres Unternehmens zurechtkommen, diesen Kaffee kochen wollen, wenig Lohn erhalten und viel arbeiten können, sind Sie bei uns richtig“, hieß es im Hamburger Abendblatt. Niels B. erfuhr später, daß wirklich eine Frau eingestellt worden war.

Der Hamburger zog vor das Arbeitsgericht und verlangte dreieinhalb Monatsgehälter Schadensersatz. Immerhin attestierten die Richter dem Mann eine gute Qualifikation und befanden das geschlechtsspezifische Jobangebot für diskriminierend. Das deutsche Recht begrenzt allerdings Ansprüche dieser Art auf drei Monatsgehälter. Da die Entschädigungspflicht auf eine EU-Richtlinie zurückgeht, fragte das Hamburger Gericht nun beim EU-Gerichtshof nach, ob das eigene Recht nicht zu restriktiv sei.

Schon in zwei Fällen mußte der EuGH in dieser Angelegenheit gegen die Bundesrepublik aktiv werden. Bis 1989 bekam die diskriminierte Bewerberin nur den Vertrauensschaden ersetzt, also meist nicht mehr als die Kosten der Briefmarke auf dem Bewerbungsschreiben. Auf Druck des EuGH verschärfte sich seither zweimal die Rechtslage. Seit 1994 sind immerhin bis zu drei Monatsgehälter Entschädigung möglich. In der Richtlinie steht allerdings nichts von einer Höchstgrenze. Dort heißt es nur, die Sanktion muß „angemessen“ sein.

In seinem gestrigen Plädoyer erklärte nun der europäische Generalanwalt Philippe Leger zur Angemessenheit: „Die Sanktion muß geeignet sein, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben.“ Für ihn kommen Höchstgrenzen beim Schadensersatz daher nicht in Frage. Der Gerichtshof muß dem Plädoyer des Advokaten nicht folgen. Meist ist dies jedoch der Fall. Der Urteilsspruch wird im März erwartet. Hat der Kläger Erfolg, dürfte dies vor allem (deutschen) Frauen nützen. Christian Rath

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