: Haas droht Richtern mit Strafanzeige
Kronzeugin im Prozeß gegen Monika Haas spielt ihren Anteil an der Flugzeugentführung 1977 herunter ■ Von Heide Platen
Frankfurt am Main (taz) – Am zweiunddreißigsten Verhandlungstag verliert Monika Haas zum erstenmal sichtlich die Contenance. Sie sitzt seit genau zwei Jahren in Untersuchungshaft. 32 Tage lang ist bisher vor dem 5. Strafsenat der Staatsschutzkammer gegen sie verhandelt worden. Auch gestern Vormittag bestritt sie in ihrer Prozeßerklärung vehement, die Waffen für die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ im Herbst 1977 von Algier nach Mallorca geschmuggelt zu haben.
Sie warf dem Gericht und der Bundesanwaltschaft „professionelle Rechtsbeugung“ vor und kündigte dem Vorsitzenden eine Strafanzeige an.
Nichts von den Vorwürfen gegen sie habe sich bisher erhärten lassen. In einem Beschluß zur Fortdauer der Haft habe sich das Gericht vor einer Woche trotzdem der Voreingenommenheit befleißigt und Zeugenaussagen zu ihren Ungunsten verfälscht, „als gäbe es diese Verhandlung nicht“.
Besondere Befangenheit warf sie dem beisitzenden Richter Zeiher vor, der bei einem privaten Essen „den ganzen Abend versucht“ habe, „seine Gäste von meiner Schuld zu überzeugen“: „Darüber wird im ganzen Westend geredet. Frankfurt ist ein Dorf!“ Ab jetzt werde sie sich, kündigte Monika Haas an, in diesem „politischen Prozeß“ nicht mehr nur auf juristischer Ebene wehren.
Das Gericht reagierte verschnupft. Die Atmosphäre im Gerichtssaal war gestern trotz der Erklärung kaum schlechter als an allen anderen Verhandlungstagen, die Beweislage blieb weiter vage bis unerkennbar. Als Zeuge wurde ein Oberstaatsanwalt gehört, der in Oslo während einer richterlichen Vernehmung der Flugzeugentführerin und der Kronzeugin Souhaila Andrawes wegen seiner Norwegischkenntnisse als Übersetzer anwesend war.
Andrawes, über deren Auslieferung an die Bundesrepublik entschieden wurde, habe dabei Aussagen nachgebessert und dies mit der Zeit zum Nachdenken „allein in der Zelle“ begründet. Unter anderem sei ihr eingefallen, daß sie und ihre zwei Mittäter intensiv versucht hätten, den Anführer des Entführungskommandos davon abzuhalten, den Flugkapitän zu erschießen.
Daß sie jetzt auch wisse, daß Monika Haas die Waffen gebracht habe, liege nur daran, daß die deutsche Polizei es ihr ermöglicht habe, ihre Erinnerung „in einem langen, schmerzvollen Prozeß“ wieder aufzubauen. Andrawes habe sich vor dieser Erklärung lange mit ihren Rechtsanwälten beraten und „viel und sehr intensiv geweint“, erklärte der Oberstaatsanwalt.
Andrawes hatte ihre belastende Aussage nach ihrer Verurteilung vor einem Hamburger Gericht laut in norwegischer Sprache widerrufen. Monika Haas warf dem Vorsitzenden Richter Erich Schieferstein gestern auch vor, daß er „diese Tatsache ein unerhebliches Detail“ genannt habe und Zeugen dafür nicht habe hören wollen. Der Prozeß wird fortgesetzt.
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