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Keine Spur von Sarkuhi

■ Deutscher Botschafter spricht in Teheran für vermißten Schriftsteller vor

Berlin (taz) – Auch der Unterausschuß für Menschenrechtsfragen des Deutschen Bundestages geht nun davon aus, daß der in Teheran verschwundene Literaturkritiker Faradsch Sarkuhi und sein Bruder Ismail vom iranischen Geheimdienst festgehalten werden. Am Mittwoch abend beriet des Gremium den Fall. Die Besorgnis war einhellig, jedoch schätzten die Beteiligten ihre Einflußmöglichkeiten als eher gering ein.

Auch das Auswärtige Amt in Bonn beobachtet das Verschwinden der beiden Sarkuhis „mit größter Aufmerksamkeit“. Der deutsche Botschafter in Teheran, Horst Bächmann, wurde gestern wegen der Affäre beim „Menschenrechtsbeauftragten“ der iranischen Führung vorstellig.

Faradsch und Ismail Sarkuhi sind nach Angaben von Angehörigen am Montag vom iranischen Geheimdienst verhaftet worden. Faradsch Sarkuhi ist Chefredakteur der kritischen Literaturzeitschrift Adine. Er war bereits mehrfach vom iranischen Geheimdienst festgenommen worden, zuletzt als er am 3. November seine in Deutschland lebende Frau und ihre gemeinsamen Kinder besuchen wollte. Damals blieb Sarkuhi 47 Tage verschwunden. Am 20. Dezember tauchte er auf einer Pressekonferenz auf dem Teheraner Flughafen wieder auf. Augenzeugen berichteten, er habe auffällig blaß ausgesehen und sei von Geheimdienstlern umringt gewesen. Nach dieser „Rückkehr“ gelang es ihm, einen Brief nach Deutschland zu schmuggeln, in dem er seine Haft und die Erpressungsversuche des iranischen Geheimdienstes beschrieb (siehe taz von gestern).

Im Ausland lebende Angehörige der beiden verschwundenen Sarkuhis vermuten, Ismail könnte vor der Verhaftung eine gemeinsame Flucht aus dem Iran vorbereitet haben. Ismail soll in den letzten Jahren mehrfach versucht haben, das Land legal zu verlassen – die Ausreise wurde ihm stets verweigert. Auch einen Reisepaß bekam er nicht. Thomas Dreger

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