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Sozialarbeiter vom Verfassungsschutz

In Brandenburg fördert der Verfassungsschutz mit Lottogeldern Jugendprojekte. Kritiker halten dies für verfassungswidrig, die Schlapphüte sprechen von „präventivem Verfassungsschutz“  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Darf eine Verfassungsschutzbehörde Jugendprojekte finanziell unterstützen, Sozialarbeit selbst betreiben? Nein! Das sagt der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen, der in Brandenburg von einer „verfassungswidrigen Verknüpfung von Jugend- und Verfassungsschutzarbeit“ spricht. Die Jugendlichen müßten schließlich darauf vertrauen können, „daß ein staatlich gefördertes Projekt nicht dazu dient, sie auszuhorchen“.

In Brandenburg werden mit Mitteln der landeseigenen Lotteriegesellschaft vier Jugendprojekte subventioniert – wobei die Mittel den Projekten über das Öffentlichkeitsreferat des Verfassungsschutzes zugute kommen. Das sei „nicht hinnehmbar“, schreiben die Bündnisgrünen in einem Brief an Brandenburgs Innenminister Alwin Ziel. Sie befürchten, „daß das Geld für Verfassungsschutzarbeit (verdeckte Informationsbeschaffung) ausgegeben wird“.

Auf Seiten des Verfassungsschutzes will man weder von einem Skandal noch von einer verdeckten Arbeit sprechen. Das Engagement der Behörde sei nur „Verfassungsschutz durch Aufklärung“, sagt Sprecher Füger. Die Projekte würden in der Hoffnung unterstützt, auch in Problemregionen „Jugendliche zu erreichen, die potentiell gefährdet sind, sich in die eine oder andere Richtung extrem zu betätigen“. Den Betroffenen sei dabei bekannt, daß sie es mit dem Verfassungsschutz zu tun hätten. Die Aktivitäten der Behörde ließen sich in den jährlichen Berichten „ausführlich nachlesen“, darüber hinaus werde auch die parlamentarische Kontrollkommission des Landtags unterrichtet.

Tatsächlich findet sich ein Bericht über „Beteiligung an jugendpolitischer Arbeit“ im letzten Rapport der Verfassungsschützer. Es ist ein Abschnitt nach dem Vorwort, verfaßt von Innenminister Alwin Ziel. Berichtet wird: „Mit Unterstützung des brandenburgischen Verfassungsschutzes wurde ein beim ,Arbeitskreis Neues Leben Dreieck Rathenow‘ e. V. entwickeltes medienpädagogisches Projekt gestartet, das der Aufklärungsarbeit unter rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen dienen soll. Die ergebnisorientierte sozialwissenschaftliche Studie will durch freiwillige Teilnahme Jugendlicher Verhaltensnormen und Verhaltensauffälligkeiten erkennen.“

Der Arbeitskreis Neues Leben in Rathenow ist zwischenzeitlich allerdings unrühmlich in die Schlagzeilen geraten. Im Sommer vergangenen Jahres wurden dort die Jugendlichen aufgefordert, sich an einer „Deutschland-Ausstellung“ zu beteiligen. Eine Mitarbeiterin der Tageszeitung junge Welt besuchte das Ergebnis. Ihre Schilderung: „Liebevoll drapierte Bildbände aus der NS-Zeit, ,Adolf Hitler; Bilder aus dem Leben des Führers‘ von 1936... Einen kleineren Teil der Ausstellung bilden dann Bücher und Gebrauchsgegenstände aus DDR-Zeiten. Hinweise auf den Holocaust oder auf eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Ideologie und den Verbrechen der Deutschen Wehrmacht sucht man vergebens.“ 190.000 Mark sind laut Verfassungsschutz bisher in die vier Jugendprojekte geflossen.

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