Die Kirchen in ihrer Doppelrolle als halböffentliche Institutionen und religiöse Gemeinschaften

Jährlich kehren einige hunderttausend Mitglieder den großen Kirchen den Rücken. Trotzdem gehören in Deutschland immer noch etwa 28 Millionen Menschen der evangelischen und etwa die gleiche Zahl der katholischen Kirche an. Rund 1,2 Millionen Menschen sind in beiden Kirchen beschäftigt. Die Kirchen spielen somit einzigartige Doppelrollen als halböffentliche Institutionen und religiöse Gemeinschaften.

Das Diakonische Werk beispielsweise, das Sozialwerk der evangelischen Kirche, ist der größte Träger der Freien Wohlfahrtspflege und verfügt über knapp die Hälfte aller stationären Behindertenplätze, ein Fünftel der Plätze in Alteneinrichtungen und Kindertagesstätten.

17 Milliarden Mark nehmen die katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen jährlich an Kirchensteuer ein. An die Sozialeinrichtungen der Diakonie oder der katholischen Caritas fließen davon im Schnitt 25 Prozent. Das Erzbistum Köln beispielsweise gibt nur 15 Prozent der Einnahmen für „soziale Dienste“ aus, aber 36 Prozent für die „Seelsorge“ und das entsprechende Personal. Die kirchlichen sozialen Einrichtungen finanzieren sich vor allem aus öffentlichen Mitteln, Entgelten der Kranken- und Pflegeversicherung, Gebühren und Spenden.

Die Kirche verbraucht also viel Geld, sie spart aber auch Geld. In der Gemeindearbeit kommen nach Angaben der evangelischen Kirche auf eine hauptamtliche Kraft vier Ehrenamtliche, die Alte und Kranke besuchen, Chöre und Gesprächsgruppen leiten. In den Altenheimen, Krankenhäusern, Behindertentagesstätten und Jugendhäusern des Diakonischen Werkes arbeiten gleichfalls viele Ehrenamtliche, rund eine Millionen Menschen insgesamt in Einrichtungen der evangelischen Kirche.

Mit der Steuerreform erhöht sich der finanzielle Druck: Da die Kirchensteuer prozentual an die Lohnsteuer gebunden ist, müssen die Kirchen dann mit noch weniger Einnahmen rechnen. Finanzminister Waigel bezifferte den Verlust schon auf 2,5 Milliarden Mark. Barbara Dribbusch