■ Querspalte: Die SPD brennt
Ja, wenn wir die SPD nicht hätten! Ohne die liebe SPD hätten wir womöglich gar nicht gemerkt, daß Helmut Kohl ein „schändliches Spiel“ (O. Lafontaine) mit den Bergleuten treibt, wir wüßten vielleicht überhaupt nichts davon, daß es dieser Kanzler auf den „Tod einer Region“ (R. Scharping) anlegt oder daß der Industriestandort Deutschland (morgen G. Schröder) „in die Globalisierungsfalle“ gerät. Unsere gute alte SPD!
Da schnarcht sie jahrzehntelang friedlich vor sich hin, wechselt gelegentlich den obersten Pfeifenkopf aus und tut hauptberuflich keiner Fliege was zuleide. Nur Leute mit einem richtigen Elefantengedächtnis können sich noch an den letzten Beitrag der SPD zur politischen Debatte erinnern: Es muß Scharpings Bart gewesen sein und daß er unerwartet und plötzlich ab war.
Und mit einem Mal brennt zwar nicht die Ruhr, aber doch die Partei. Über Nacht sind ihre Spitzenkräfte lichterloh entflammt, stellen sich an die Spitze der Bewegung und blasen Kohl endlich den Marsch. Ich wette August Bebels Taschenuhr gegen einmal Currywurst mit Pommes, daß der Kohl sich von diesem Schlag nicht mehr erholen wird. Ja, was wären wir ohne die SPD!
Auf keinen Fall schlechter dran. Generationen von Bergarbeitern haben sich redlich ihre Staublunge und ihren Kindern den Pseudokrupp erwirtschaftet, haben schlagende Wetter und den Niedergang des VfL Bochum überstanden. Da wäre es doch geradezu herzlos, die Gruben zuzuschütten und die Kumpel nach Hause zu schicken. Billiger, auch menschenfreundlicher wäre es, endlich die Partei stillzulegen, in der, wie der rote Rudi sagt, „der Bergbau seine Heimat“ hat.
Ein letztes Mal sollen sie einfahren dürfen ins Erich-Ollenhauer-Haus, noch mal zusammensitzen, um sich bei der CDU als Partner anzubiedern, aber dann macht bitte der letzte Hauer das Grubenlicht aus. Noch ein schönes Ständchen von der Bergmannskapelle Gelsenkirchen und damit: Glückauf, SPD! Willi Winkler
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