: Der Betrüger
Der gedopte Boxer Rocchigiani bereitet RTL große Sorgen ■ Von Peter Unfried
Berlin (taz) – In einem Berliner Hotel saß gestern der Berufsboxer Graciano Rocchigiani, schnaubte und drohte mit „Verfahren“, wenn er herausbekomme, „wer das war“. Auch um ihn herum wurden Verschwörungstheorien entworfen, nachdem das Dopinglabor Köln am Morgen in seiner Jahresstatistik den Dopingbefund des Halbschwergewichtlers bekannt gemacht hatte. Rocchigiani (33) war am 10. August bei seiner WBO-WM gegen den Titelverteidiger Dariusz Michalczewski in Hamburg gedopt mit Ephedrin, einem Aufputschmittel, das dem körpereigenen Hormon Adrenalin ähnelt. Rocchigianis A-Probe ist eindeutig positiv. Die B-Probe allerdings wurde nie untersucht und dürfte mittlerweile vergammelt sein. Was bedeutet: Es wird weder eine Sperre für ihn geben, noch ist der samstägliche Kampf gegen John Scully in Berlin gefährdet.
Es geht weniger darum, aus welchen Gründen der Weltverband WBO die Probe zurückgehalten hat. Der eine oder andere mag sich aber erinnern, wie nach dem Kampf in einem Bierzelt Rocchigiani brüllte: „Ihr seid Betrüger, Schweine seid ihr.“ Damals schien klar: Der Halbschwergewichtler, der bereits gegen Henry Maske angeblich zu Unrecht verloren hatte, trägt stellvertretend für die Menschheit das Kreuz des redlich- ewig von Punktrichtern, Hausmeistern und dem Leben Betrogenen. Es klingt noch bombastisch in den Ohren, wie RTL-Informationsdirektor Hans Mahr im Dezember seinen neu eingekauften Angestellten anpries. „Rocky“, wie er ihn mit zärtlichem Wiener Schmelz nennt, sei „der einzige im Moment auf dem Markt“, um den Boxboom des Senders im Zeitalter nach Maske zu bewahren, inklusive zweistelliger Einschaltquoten und dadurch verkaufter Werbeinseln. Mahrs Problem ist: Er hat Rocchigiani nicht teuer und für drei Kämpfe als Betrüger ein- und verkauft, sondern wollte einen Kreuzzug für einen „aufrechten Kämpfer“. Ist nun alles aus? Wenn man bei RTL gestern eines wußte, dann, daß der Kampf stattfinde. Muß ja weitergehen. Erstens muß es das immer, zweitens sind die Werbeinseln verkauft. pu
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen