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Öko-Schlachter Groth verurteilt

■ Das Opfer von Veganern, Medienstar für einige Wochen, hat den letzten Brand in seiner Fleischerei selbst gelegt

Bremen (taz) – Regungslos sitzt er da, als die Richterin ihr Urteil verkündet: Matthias Groth, der bekannteste Schlachter der Republik, Medienstar für ein paar Wochen im Frühjahr 1995. Groth, das Opfer einer skurrilen Serie von Anschlägen gegen seine Öko-Fleischerei im Bremer Ostertor. Groth, das Opfer radikaler Vegetarier. Zum Jahreswechsel 1995 hatte ein Veganer-Rollkommando seinen Laden in Klump gehauen, von Schmierereien bis hin zu Morddrohungen ganz abgesehen. Groth, dem eine Welle von Sympathie entgegengeschwappt ist. Genützt hat es wenig.

Im Februar letzten Jahres hat er, völlig überschuldet, aufgegeben und einen Neuanfang am Fleischtresen eines Öko-Supermarktes gewagt. Und jetzt: Groth, vom Opfer zum Täter mutiert, auf dem Anklagestuhl im Bremer Amtsgericht. Gestern wurde er wegen Vortäuschung einer Straftat zu 1.500 Mark Geldstrafe verurteilt.

Die Richterin hat keine Zweifel: Den letzten Brandsatz in seiner Fleischerei hat Groth selbst gelegt. Am frühen Morgen des 11. Oktober 1995 meldete sich Matthias Groth bei der Polizei: ein Brandanschlag. Er sei durch einen Knall geweckt worden und über den Balkon ins Laden-Erdgeschoß hinabgeklettert. Eine verglaste Innentüre sei eingeschlagen gewesen. Er habe Feuerschein gesehen, sich erst mit einem Spieß bewaffnet nach vorne gewagt, dann den Feuerlöscher geholt und den Brand erstickt. Kein großer Schaden, lediglich die Schaufensterdekoration war angekokelt.

Eine Geschichte, die von der Kripo so auseinandergenommen wurde, daß die Puzzleteile nicht mehr zusammenpassen wollten. Der Fußboden des Ladens war übersät von Splittern einer Glasflasche, daneben eine Lunte. Die war nicht mal angebrannt, und am mutmaßlichen Molotowcocktail waren keine Spuren von Brandbeschleuniger zu finden. Nirgendwo hatte die Polizei Einbruchspuren gefunden. Zehn bis 15 Minuten hat Groth nach eigener Aussage vom Knall bis zum Löschen gebraucht. So lange müßte also ein Brandstifter im Laden gewesen sein. Warum das alles? Der Kripobeamte: „Mir ist kein Fall bekannt, der so gelaufen wäre. Und ich bin seit 30 Jahren im Einbruch tätig.“

Entscheidend für das Urteil war aber das Gutachten eines Brandsachverständigen. Der hatte ermittelt, daß das Feuer höchstens 30 Sekunden gebrannt haben kann. 30 Sekunden für das Opfer Groth, den Brand zu entdecken und das Feuer zu löschen – und das alles, ohne einen Täter zu sehen. „Das kommt so einfach nicht hin“, schloß die Richterin. Das Motiv? Nur Mutmaßungen: mehr Kunden über neues Medieninteresse. Groth streitet die Tat nach wie vor vehement ab. Sein Anwalt prüft nun, ob sein Mandant in die Berufung geht. Jochen Grabler

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