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Eine Art Tourismus

■ Zwischen Schule und Wirtschaft gibt es immer noch einige Berührungsängste

Willkommen in der Druckerei. Hier das Satzzentrum, die Belichtung, dort die Druckmaschinen. Modernste Technik. So wird Zeitung gemacht. Noch Fragen? Keine, na dann, gute Heimreise. „Betriebsbesichtigung“ stand auf dem Stundenplan der Treptower Gymnasiasten, Einblicke in wirtschaftliche Zusammenhänge und Strukturen waren versprochen worden. Am Ende blieben ein „Na ja, ganz interessant“ und die Freude darüber, wieder mal einen Schultag jenseits der Schulbank herumgebracht zu haben. Und in der Druckerei? – Wie immer im Vorfeld ellenlange Diskussionen, wer die SchülerInnen heute durchs Terrain führt. „Fast jeden Tag rücken irgendwelche Schulklassen bei uns an. Ganz zufällig müssen wir nebenbei noch arbeiten.“

Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft. Vor mehr als vierzig Jahren begann sie in der Bundesrepublik offiziell, als 1953 aus Gesprächskontakten zwischen Pädagogen und Vertretern der Wirtschaft in Niedersachsen der erste „Arbeitskreis Schule Wirtschaft“ ins Leben gerufen wurde.

Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft“ vereint heute etwa 450 solcher Arbeitskreise. Die Art von Partnerschaft, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat, sieht anders aus als ein solcher Druckereibesuch. „Betriebserkundungen statt Betriebstourismus“, erklärte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft, Marion Hüchtermann, zum geeigneten Mittel, um Informationsdefizite und Berührungsängste zwischen Schule und Wirtschaft abzubauen. „Die Erkundungen sollen den Teilnehmern ermöglichen, sich vor Ort durch unmittelbare Anschauung und in Gesprächen mit Geschäftsleitung, Personalleitern und Betriebsrat über Betriebsabläufe in der Produktion und Verwaltung sowie die Struktur der heimischen Wirtschaft zu informieren.“

Jeanette Lamble, Sprecherin des brandenburgischen Bildungsministeriums, sieht die Klüfte, die dabei überwunden werden müssen. Einerseits sei es sicher sinnvoll, SchülerInnen „Betriebserkundungen“ zu ermöglichen. „Wir haben deshalb für die neunte und zehnte Klasse zweiwöchige Schülerbetriebspraktika eingeführt.“ Andererseits gäb es nicht so viele von Unternehmen der Region. Die Koordination der Praktika bedeute daher einen immensen Organisationsaufwand.

Erfahrungen aus DDR-Zeiten setzen Grenzen. Einen „Unterrichtstag in der Produktion“ wird Brandenburg nicht wieder einführen. Natürlich, so Jeanette Lamble, sei auch praktischer Unterricht wichtig. „Doch die Schüler lernten dort nicht einfach den beruflichen Alltag oder ökonomische und ökologische Zusammenhänge kennen“, sagt Lamble, „sie wurden genaugenommen nur als billige Hilfsarbeiter betrachtet.“

Die Gefahr besteht heute noch. „Wir sehen uns die Anbieter von Schülerpraktika im Vorfeld sehr genau an“, sagt Lamble. Denn ebensowenig wie Schüler für Hilfsarbeiten mißbraucht werden dürfen, sollten Betriebspraktika dazu dienen, Eignungen potentieller Lehrstellenanwärter festzustellen. „Natürlich können wir keinen Unternehmen verbieten, sich die Schüler genau anzuschauen, und sicher versprechen sich auch einige Jungen und Mädchen von ihrem Eindruck während des Praktikums günstigere Chancen bei einer Bewerbung. Doch Ziel kann dies nicht sein.“ Brandenburg setzt inzwischen verstärkt auf sogenannte Arbeitslehrezentren. „In Fürstenwalde“, konstatiert Jeanette Lamble, „gibt es damit sehr gute Erfahrungen.“ Bereits ab der 7. Klasse können sich dort SchülerInnen praktisch betätigen. Träger der Einrichtung ist der Kreis. Die Unternehmen der Region beteiligten sich am Aufbau des Zentrums.

Am Institut der deutschen Wirtschaft, in dessen Händen die Geschäftsführung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schule Wirtschaft liegt, sieht man derartige Entwicklungen in den neuen Ländern mit Freuden. Auf weniger Resonanz stößt dagegen der Anspruch der Bundesarbeitsgemeinschaft, Defizite in bezug auf die Wirtschaft bei Lehrerinnen und Lehrern durch Fort- und Weiterbildung abzubauen. Was für die Wirtschaftslehrkräfte Pflicht und selbstverständlich ist und zum Beispiel die Beschäftigung mit Fragen von Sozialökonomie, Umwelt oder neuer Technologien einschließt, betrachtet das Gros der LehrerInnenschaft kaum als notwendig. Nach den Vorwürfen über den „alten Geist an Ostschulen“ gelte in Brandenburg, so Lamble, das Interesse bei Fort- und Weiterbildung derzeit vor allem neuen Unterrichtsmethoden. Kathi Seefeld

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