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Brisanter Richterspruch

■ „Mykonos“-Urteil entscheidet über die deutsch-iranischen Beziehungen

Berlin (AP) – Unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen verkündet das Berliner Kammergericht heute das Urteil im „Mykonos“- Prozeß. Möglich scheint nicht nur ein Schuldspruch gegen die fünf Angeklagten, die im September 1992 vier iranisch-kurdische Oppositionelle in Berlin ermordet haben sollen, sondern auch gegen die iranische Staatsspitze in Teheran.

Die Bundesregierung hat für diesen Fall die Überprüfung der „gesamten Bandbreite“ der deutsch-iranischen Beziehungen angekündigt. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) will sich heute zu den politischen Konsequenzen äußern. Sicherheitskreise befürchten Anschläge auf Richter und Bundesanwälte sowie Repressionen gegen Deutsche in Iran. Der iranische Außenminister Ali Akbar Welajati hat gestern die Bedeutung des Urteilsspruchs für die iranisch-deutschen Beziehungen heruntergespielt. Welajati wandte sich in Teheran gegen die Politisierung des Falls und sagte, Iran wisse, daß das Gericht in seiner Entscheidungsfindung unabhängig sei. Er betonte, die rund 400 Deutschen im Iran seien sicher. Berichte, wonach sie bei einem Schuldspruch bedroht würden, seien eine Erfindung. Welajati fügte hinzu, bei einem Schuldspruch werde es von der Reaktion der Bundesregierung abhängen, ob der Iran die Beziehungen herunterstufe.

Iranische Oppositionelle haben für heute eine Demonstration mit rund 1.000 Teilnehmern vor dem Berliner Kriminalgericht angekündigt, um dort den Abbruch des europäischen „kritischen Dialogs“ mit Teheran sowie die Strafverfolgung weiterer iranischer Terroranschläge im Ausland zu fordern. Shahin Gobadi, Sprecher des als wichtigste Oppositionsgruppe geltenden „Nationalen Widerstandsrats Iran“, sagte, zum ersten Mal werde wahrscheinlich das iranische Regime für Staatsterrorismus zur Rechenschaft gezogen. Logische Folge müsse der Abbruch der Beziehungen sein, um Teheran für seine Taten zu bestrafen.

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