Die Mehrheit „handelt aus Notwehr“

■ Im Konflikt zwischen Armee und Islamisten haben sich die bürgerlichen Medien auf die Seite der Militärs geschlagen

Die bürgerlichen Medien in der Türkei führen regelrecht Krieg gegen den islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan. Im Konflikt zwischen der Armee und den Islamisten haben sich die Medien – nur die Linke und die Islamisten bilden die Ausnahme – vorbehaltlos auf die Seite der Militärs geschlagen. Die Rede von General Osman Özbek, der Erbakan offen den Kampf angesagt hat, wurde mit solidarischem Begleitton tagelang in den Nachrichtenprogrammen der privaten Fernsehanstalten ausgestrahlt.

In einem demokratisch verfaßten politischen System stünde einem General, der sich abfällig über den Ministerpräsidenten und „seine Sippschaft“ ausläßt und seiner Regierung den Kampf ansagt, zweifellos die Entlassung bevor. In der Türkei dagegen erntete der General Beifallsstürme. Unmittelbarer Anlaß für den Wutausbruch des Offiziers war die Aufführung von „Ein Volksfeind“, mit der eine islamistische Amateurtheatergruppe die Armee aufs Korn nahm. Mittlerweile sind die jungen Schauspieler alle hinter Schloß und Riegel. So schnell beugt sich die Justiz dem Willen der Militärs.

In weltlichen Kreisen wird der Auftritt des Generals mehrheitlich als legitimer Widerstand begriffen, da das republikanisch-säkulare System in Gefahr sei, von Erbakan und seiner Wohlfahrtspartei ausgehöhlt zu werden. Beispielhaft dafür ist der Kommentar des Chefkolumnisten der führenden Tageszeitung Hürriyet, Ertugrul Özkök. Die „überwältigende Mehrheit“ der Bevölkerung, deren Weltanschauung durch den islamistischen Ministerpräsidenten bedroht sei, handle aus „Notwehr“, so Özkök in seiner Polemik an die Adresse Erbakans. „Schauen Sie sich um. In diesem Land redet jeder. In den Stadien, Konzertsälen, in den Straßen, in den Fabriken wird geredet. 80 bis 90 Prozent der Leute reden. Die Menschen, die Sie zur Minderheit stempeln wollten, erheben sich. Aber weil Sie gegenüber dieser zivilen Stimme Ihre Ohren verschließen, hören Sie nur das Stampfen von Soldatenstiefeln. Verstehen Sie nur diese Sprache? Sie ernten, was Sie gesät haben. Da tritt ein General hervor und beschimpft Sie. Obwohl Sie rein juristisch im Recht sind, steht Ihnen niemand bei. Ja, Sie haben aus dem Kommandanten sogar einen Volkshelden gemacht.“

Kein Wunder, daß neben solchen Kommentaren auch Meinungsumfragen plaziert werden, die die Verbundenheit der Türken mit den Militärs demonstrieren sollen. Die Bürger wurden befragt, in welche Institutionen sie Vertrauen hätten. Parlament und Regierung rangierten danach ganz unten. Die Armee aber sei die Institution, der die Türken größtes Vertrauen entgegenbringen.