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Knüppel für die Hauptstadtfähigkeit

■ Bei der „revolutionären Mai-Demonstration“ in Berlin erprobte der Innensenator sein Polizeikonzept der Eskalation

Berlin (taz) – „Knüppel frei!“ lautete das Motto der Polizei bei der gestrigen „revolutionären 1.- Mai-Demonstration“ in Berlin. Unter dem Vorwand, vermeintlich vermummte Demonstranten festzunehmen, prügelten die Beamten immer wieder auf die Menge ein. Von seiten der Demonstranten flogen vereinzelt Steine und Flaschen. Nach Abschluß der Demonstration begann eine Straßenschlacht, bei der die Demonstranten Barrikaden aufbauten und einen Bauwagen in Brand setzten. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Schlagstöcke ein.

An dem Demonstrationszug vom Rosa-Luxemburg-Platz zum Rosenthaler Platz in Berlin-Mitte nahmen weit über 10.000 Personen teil. Aufgerufen hatten zahlreiche linke und autonome Gruppen sowie die Antifaschistische Aktion Berlin. In Kreuzberg demonstrierten gleichzeitig etwa 1.000 Anhänger der „Revolutionären Kommunisten“. Dabei wurden 15 Leute festgenommen. Die Polizei setzte insgesamt 5.000 Beamte ein.

Vermummt galt der Polizei am gestrigen Feiertag bereits, wer eine Kapuze oder eine Sonnenbrille trug. Bereits im Vorfeld des „revolutionären“ Mai – zugleich der 10. Jahrestag des Kreuzberger Maiaufstands von 1987 – hatte Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) angekündigt, auf polizeiliche Deeskalation verzichten zu wollen. Statt dessen, so der Exgeneral, werde man bei den „ersten Anzeichen von Gesetzlosigkeit sofort eingreifen“. Dazu halte man starke Greiftrupps bereit.

Mit dem polizeilichen Konzept der Eskalation setzte der Berliner Innensenator seine Politik fort, Berlin „hauptstadtreif“ zu machen. In Prenzlauer Berg mußten die Bürger die Law-and-order-Politik des Innensenators bereits am Mittwoch abend mit einer massiven Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit bezahlen. Um erneute Auseinandersetzungen rund um die Touristenmeile zu verhindern, hatte die Polizei das Areal weiträumig abgesperrt. Sämtliche Kneipen hatten geschlossen. Den Bewohnern hatte die Polizei zuvor mitgeteilt, ihre Ausweise mit sich zu führen. Dennoch ließ die Polizei zahlreiche der insgesamt 10.000 Anwohner des von der Polizei besetzten Sperrgebiets nicht passieren.

Insgesamt sprachen die Beamten in der Nacht vor dem 1. Mai 200 Platzverbote aus. 110 Personen wurden vorläufig festgenommen. Auch hier hatte Innensenator Schönbohm eine militärische Erklärung parat: Um eventuelle Störer zu isolieren, müsse die Polizei, so Schönbohm gegenüber der FAZ, einen „flexiblen Raumschutz“ gewährleisten. Das wichtigste sei, wie man seine Reserven einsetze. Das, so der Exgeneral, „ist wie im Gefecht“. Uwe Rada

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