: Spuren an der Wand – aber keine von den Tätern
■ Die Lübecker Ermittler vermuten, daß die Kirchenbrandstifter aus der Stadt kommen. Die Nachforschungen in der rechten Szene erweisen sich aber als schwierig
Berlin (taz) – Zwei Tage nach dem Brandanschlag auf die Lübecker St.-Vicelin-Kirche hat die Polizei noch keine Spur von den Tätern. Momentan konzentriere man sich auf die Untersuchungen der aufgesprühten Hakenkreuze und auf den Schriftzug „Harig“, hieß es gestern.
Günter Harig gewährt als Pastor der Evangelischen Nachbargemeinden St. Petri und St. Marien einer algerischen Familie Kirchenasyl. Ein Sprecher des Landeskriminalamtes sagte der taz, mit einem Ergebnis der graphologischen Untersuchungen sei in den nächsten Tagen zu rechnen.
Fünf weiße Hakenkreuze und Harigs Name waren an die rechte Wand des Schuppens gesprüht worden, von dem aus das Feuer auf die Katholische St.-Vicelin-Kirche übergesprungen war. Ähnliche Hakenkreuz-Schmierereien fanden sich bereits im Januar und Februar diesen Jahres an der Gartenlaube des evangelischen Bischofs Karl Ludwig Kohlwage.
Auffällig: Auch die Zeichen an der Gartenlaube waren an der rechten Seite und mit weißer Farbe aufgesprüht. „Wir haben zwar noch keine Täterhinweise, aber die Vermutung liegt nahe, daß die Brandstifter aus Lübeck kommen“, hieß es gestern in Polizeikreisen.
Dieser Verdacht liegt nahe. Bereits in der Vergangenheit waren im Stadtteil St. Jürgen ähnliche Hakenkreuz-Schmierereien mit weißer Farbe gesprüht worden, am Studentenwohnheim und bei einem Brandanschlag auf ein türkisches Restaurant. Aufgeklärt wurden diese Anschläge bis heute nicht.
Ekkehard Wienholtz, der Innenminister des Landes, versicherte gestern erneut: „Es gibt keine Erkenntnisse, daß die Stadt Lübeck ein Schwerpunkt des organisierten Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein ist.“ Insbesondere gebe es keine organisierte Neonaziszene.
Eine rechte Hochburg sei Lübeck gewiß nicht, bestätigt das dortige „Bündnis gegen Rassismus“. Allerdings gehe man von etwa 80 organisierten Neonazis in der Stadt aus. Die Suche nach den Tätern gestaltet sich schwierig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in der rechten Szene.
Allerdings rechnet auch Staatsanwalt Klaus-Dieter Schultz nicht mit einem raschen Ergebnis. Die Befragung der Nachbarn habe nichts Konkretes ergeben, hieß es aus Polizeikreisen. Zwar waren Sonntag nacht vier Jugendliche in der Nähe der Vicelin-Kirche vorübergehend festgenommen worden. Nachbarn hatten gesehen, daß sie mit Silvesterknallern hantierten. Sie hätten aber nachweislich nichts mit dem Anschlag zu tun gehabt, hieß es. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein setzte gestern 50.000 Mark Belohnung zur Aufklärung des Anschlags aus. Annette Rogalla
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