: Ihm sei die Hand ausgerutscht
■ Gestern wurde wieder gegen Ninko M. verhandelt. Er soll seine Frau Madeleine erschlagen haben - nachdem er sie aus dem Frauenhaus nach Hause geholt hatte
„Wir hatten früher ein ziemlich gutes Familienleben“, sagt Maja. Verloren sitzt das zierliche Mädchen im Zeugenstand, in Zimmer 501 des düster getäfelten Gerichtssaals. Die Sechzehnjährige soll die Szenen einer Ehe beschreiben. Einer Ehe, die für ihre Mutter Madeleine M. vor zwei Jahren tödlich endete. Ninko M., Majas Vater, soll seine Frau so schwer mißhandelt haben, daß sie an den Folgen einer Dünndarmverletzung verstarb. Seit vergangener Woche muß sich Ninko M. vor Gericht verantworten. Gestern war der zweite Prozeßtag.
Mehrere Stunden sagt Maja aus. Sie spricht klar und überlegt, nur selten kommt sie ins Stocken. Nein, Gewalttätigkeiten zwischen ihren Eltern habe sie nicht mitbekommen. Nur einmal habe sie erlebt, daß der Vater der Mutter eine knallte. Weil Mutter gelogen habe.
Um die Jahreswende 1994/95 habe der ganze Streit begonnen, sagt Maja. Die Mutter habe sich verändert. „Sie fing an zu lügen – bei Kleinigkeiten.“ Wollte im Büro gewesen sein – doch niemand habe sie dort gesehen. Und außerdem: „Mutter ist plötzlich auf den letzten Drücker aufgestanden, hat kein Frühstück und keinen Kaffee mehr gemacht.“ In dieser Zeit habe der Vater angefangen, seine Frau zu ohrfeigen. Er habe plötzlich Tabletten geschluckt, drei bis vier Liter Alkohl pro Tag getrunken. Besonders schlimm sei es geworden, als die Mutter ins Frauenhaus flüchtete. „Plötzlich sprach er mit Gegenständen und sah Männer aus den Wänden kommen.“
Am 20. Juli verließ Madeleine M. das Frauenhaus Königs Wusterhausen. „Für uns alle unerklärlich“, sagt ihre damalige Betreuerin Regine Grabowski heute. „Vater hat gesagt: Mutter habe sich mit ihm treffen wollen“, sagt Maja gestern vor Gericht. Was stimmt, bleibt im dunkeln. Fest steht: Madeleine M. ging mit ihrem Mann an diesem Tag nach Hause.
Am Morgen danach, erinnert sich Maja, habe ihr der Vater erklärt, er und die Mutter seien die Treppe runtergefallen. Die Mutter habe ihm wieder und wieder Vorträge gehalten wegen des Alkohols, da sei ihm die Hand ausgerutscht. „Mutters Nase war geschwollen, und sie hatte einen dicken Bauch.“ Fünf Tage später mußte Maja die Feuerwehr rufen, ihre Mutter kam ins Krankenhaus. Am Tag darauf, dem 27. Juli 1995, verstarb Madeleine M.
Maja stockt. Die ZuhörerInnen auch. Für die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen ist Madeleines Tod kein Zufall. Die plötzlich angeführte Tabletten- und Alkoholsucht von Ninko M. wollen sie nicht glauben. „Er soll nur für unzurechnungsfähig erklärt werden“, sagt Regine Grabowski. Der Prozeß wird fortgesetzt. Gudula Hörr
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