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Bauernschläue gegen Donnerwetter

■ Landwirt Hoehne trotzt dem Regen mit Erfahrung und Chemie. Aber die Getreideernte liegt schon zwei Wochen hinter Plan

Die Meteorologen sagen die Rückkehr des Sommers voraus. Die Getreidebauern in Bremen und Niedersachsen hoffen, daß sie recht haben. Denn die wenigen trockenen Stunden am Tag und Regen von bis zu 27 Litern pro Quadratmeter haben bisher die Ernte von Gerste und Roggen verhindert: „Im Bremer Umland liegen wir schon 14 Tage hinter dem Termin“, klagt Günther Beine vom Landvolkverband Niedersachsen.

Bei der hohen Luftfeuchtigkeit sprießen üppige Pilzkulturen und schwächen die Pflanzen. „Hätten wir nicht die moderne Landwirtschaft, wäre die Ernte schon jetzt zum Teil verdorben“, meint Hinrich Bavendamm vom Landwirtschaftsverband Bremen.

Bauer Walter Hoehne setzt auf den gezielten Einsatz von Chemie. In Hemelingen kämpft er auf seinem Hof schon seit 38 Jahren gegen die Naturgewalten. Mit 37 Hektar hat er angefangen, inzwischen bewirtschaftet er mehr als hundert Hektar in Hemelingen und der Wesermarsch. Gegen die Pilze spritzt Hoehne „Amistar“, ein Fungizid auf Azoxystrobin-Basis. „Jaja, ich weiß schon, die Chemie“, winkt er ab. „Aber was wir auf einen ganzen Morgen Land spritzen, verpüstert so'n Hobbygärtner in seinem Kleingarten“.

Einen Liter pro Hektar braucht Hoehne. Für den Rückstandsanalytiker Jochen Legler von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungs-Anstalt in Hameln ein noch vertretbares Maß. „Nach einem Jahr sind 90 Prozent von Amistar abgebaut. In den eßbaren Getreidebestandteilen lassen sich auch vorher keine Rückstände finden.“Probleme könnten aber giftige Zerfallsprodukte im Stroh bereiten, wodurch Tiere mit dem giftigen Stoff in Berührung kommen. „Das ist schwer zu kontrollieren“, gesteht Legler.

Ein Blick auf die Felder scheint Hoehnes Erfolgsrezept zu bestätigen. Satte gelbe Halme mit dicken Ähren recken sich senkrecht gen Himmel. „Bio“, sagt er, „ist das Allerletzte“. „Bio“sei bei einem Hof seiner Größe nicht möglich.

Für Manon Haccius, Bundesgeschäftsführerin der AG Ökologischer Landbau in Darmstadt, ist das nur eine Ausrede. „Im Berliner Raum gibt es biologisch arbeitende Betriebe, die sind um einiges größer.“Weitgestellte Fruchtfolge sei eine Alternative zur Giftspritze. „Wenn die Pflanzensorten jedes Jahr wechseln, können sich auch die Pilze nicht halten, denn jede Pflanze hat ihren eigenen Pilz.“Größere Halmabstände könnten zudem dafür sorgen, daß der Wind naßgeregnetes Korn schneller trocknet und so Pilzbefall verhindert. Höchsterträge lassen sich dabei allerdings nicht erzielen.

Was geschieht, wenn bei Nässe weder ökologisch gewirtschaftet noch chemisch gegen den Pilz gekämpft wird, zeigt sich auf einem Getreidefeld bei Bollen. Ein „Pilzbauer“, so Hoehne, hat nicht aufgepaßt. Wurzelhalmpilz und Rostflecken greifen die Wurzeln und Halme an, schwarzer, schmieriger Belag ist das Zeichen für den bevorstehenden Tod der Pflanze. „Wenn dann der Regen reinrauscht und mit seinem Gewicht das Korn zur Erde drückt, knickt der Halm um. Das kriegt keiner wieder hoch.“Die braunen, schrumpeligen Körnchen sind gerade noch gut als Viehfutter.

Hoehnes Gerste steht dagegen wie eine Eins. Reif wie sie ist, gehört sie in die Scheune. „Zwei oder drei Tage Sonne reichen , dann wird gedroschen.“Dann ist das Korn zwar noch nicht trocken, aber bis zu zwanzig Prozent Feuchtigkeit können in der Scheune mittels Heizung herausgedampft werden.

Bauer Hoehne hat Glück, der Mähdrescher ist nicht zu schwer für den Lehmboden hinterm Weserdeich. „Da geht jedes Jahr ordentlich Kalk rein, da geht der Boden auf wie ein Hefekloß.“Zusätzlich liegen Drainagerohre unter der Ackerkrume und leiten überschüssiges Wasser in die Verteiler.

Bauer Hoehne sieht der Ernte ruhig entgegen. „Irgendwann muß ja Sonne kommen. An der alten Siebenschläferregel ist was dran, also im August...“Dann wird es für ihn auch Zeit, denn nicht alle Pflanzen sind so geduldig wie die Gerste. Hoehnes Rapsfeld zeigt erste weiße Flecken: aufgeplatzte Rapsschoten. „Sonne, Regen, Sonne, Regen – das halten die nicht aus. Die Samen fallen in die Erde und das war's.“ Christian Sywottek

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