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Altenwohnungen statt Raum für Jugend

■ Abgebranntes Jugendfreizeitheim an der Thedinghauser Straße in der Neustadt soll zunächst nicht wieder aufgebaut werden / Amt für soziale Dienste Süd will lieber Altenwohnungen bauen

Die Jugendlichen in der Neustadt brauchen nach Meinung einflußreicher Sozialbürokraten keine zwei Jugendfreizeitheime. Altenwohnungen sollen stattdessen auf dem Gelände an der Thedinghauser Straße aus dem Boden gestampft, das Freizi abgerissen werden. Dieser Plan geht bereits wie ein Lauffeuer durch die Jugendszene. Die Kids sind entsetzt: Schließlich glaubten sie, daß ihr nach einem Brand zum Teil zerstörtes Freizi wiederaufgebaut würde. Doch jetzt hat der zuständige Leiter im Amt für soziale Dienst Süd offenbar andere Pläne: Alternativen für das Gelände würden geprüft, bestätigte Friedhorst Kriebisch.

Bei einem Ortsbesuch von SPD-ParlamentarierInnen in der Gartenstadt-Süd plauderte Amtsleiter Kriebisch jetzt folgendes aus: Das Freizi werde erstmal nicht saniert, ließ er die BesucherInnen wissen. Die Neustadt brauche mehr Angebote für alte Leute.

„Der will bloß seine SPD-Klientel bedienen“, wettert eine Sozialarbeiterin aus der offenen Jugendszene. Die betroffenen Freizi-MitarbeiterInnen schweigen lieber, weil sie Angst vor Konsequenzen haben. Doch die Kids aus der Neustadt reden dafür umso deutlicher: Sie wollten ihr Freizi, „unbedingt behalten“, sagt der 13jährige Saygin. Sie würden jeden Nachmittag im Freizi verbringen, erzählt auch sein Freund Erlan. Auch, nachdem dort vor acht Monaten aus bislang ungeklärter Ursache ein Feuer ausbrach.

Seitdem können die Jungen in dem rund 40 Jahre alten Plattenbau nur noch den Keller und die Sporthalle nutzen. Der Mädchenbereich mit seinen beiden SozialarbeiterInnen wurde in die Kornstraße neben den Mädchentreff „Gewitterziegen“verlegt.

Daß die Neustadt mehr Altenwohnungen braucht, ist für Inge Breidbach „absoluter Unsinn“. Sie sitzt für die Grünen im Neustädter Ortsbeirat udn ist Delegierte der Bremer Seniorenvertretung. „Wir sind in der Neustadt mit Altenwohnungen sehr gut bestückt.“Am Kirchweg und am Buntentorsteinweg seien erst vor kurzem neue Altenwohnungen entstanden. Das St. Pauli-Stift an der Wilhelm-Kaisen-Brücke wird demnächst eröffnet.

Das sieht auch die Bremer Heimstiftung so, mit der Amtsleiter bereits verhandelte: „Es gibt außerdem vier Altenheime in der Neustadt. Wir drängen uns nicht um das Gelände“, sagt Alexander Künzel vom Heimstiftungs-Vorstand. „Hier wird Alt und Jung gegeneinander ausgespielt. Das ist unmöglich“, ärgert sich Beiratsmitglied Inge Breidbach.

Tatsächlich ist das Freizi, das in einem eng bebauten Gewoba-Wohngebiet steht, öfter wegen Lärmbelästigung von der Nachbarschaft angefeindet worden. Die Halle wurde in der Vergangenheit für Veranstaltungen angemietet. Das Freizi wird außerdem gut von den Kids besucht (vgl. Kasten). Die Jungen Zilan (15), Patrick (16), Ibrahim (17), Ugur (17) haben bereits einen Protestbrief geschrieben: „Wenn das Freizi geschlossen wird, können wir nirgendwo mehr hin. Wir müssen dann auf die Straße.“Andere Räume gebe es hier nicht, vor allem keine mit einer großen Halle.

Das Amt könnte das Freizi ohne Probleme wieder aufbauen: Die Versicherung hat eine Summe von rund 700.000 Mark zugesagt. Dem steht aber ein geschätzter Verkaufserlös von 1,5 Millionen Mark für das rund 5.000 Quadratmeter große Gelände gegenüber. Daß es hier nur um Profit und Wählerstimmen geht, wollen Amtsleitung und das Sozialressort aber nicht so verstanden wissen.

Grünes Licht für einen Prüfauftrag hat es zwar gegeben, bestätigt Sozialressort-Sprecher Olaf Joachim. „Aber da kann alles mögliche herauskommen. Auch, daß sich ein Wiederaufbau lohnt“, sagt er. Alles sei „noch völlig offen“, beteuert auch Leiter Friedhorst Kriebisch vom Amt für soziale Dienste Süd. Wenn verkauft werde, gebe es für die Kids selbstverständlich Ersatz. Mehr wolle er aber nicht verraten. Ende des Jahres will er alles entschieden haben.

Entsprechend wütend sind die MitarbeiterInnen der offenen Jugendarbeit. Bei den „Gewitterziegen“in der Kornstraße ist die Stimmung gereizt. Der Amtsleiter hatte auch vorgeschlagen, die Mädchen aus dem Freizi mit den „Gewitterziegen“zusammenzulegen – und dann aus dem Freizi ein reines Mädchenzentrum zu machen. „Das wollen wir aber nicht. Wir haben Angst, daß das nur dazu dient, bei uns zu rationalisieren und Stellen zu sparen“, sagt dazu Ruken Aytas vom Verein „Gewitterziegen“. Verschiedene Mädchenangebote im Stadtteil seien wichtig. Das Freizi, in dem sich Mädchen und Jungen treffen, müsse bleiben. kat

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