: „Bremen gibt sich viel zu kleinstädtisch“
■ Ulla Luther, die erste weibliche Staatsrätin im Bauressort, will Bremen wieder mehr ans Wasser anbinden
Bremen müsse mehr mit seinen Pfunden wuchern, sagt Ulla Luther (53). Die parteilose Architektin ist seit wenigen Tagen Staatsrätin bei Bausenator Bernt Schulte (CDU). Davor modellierte sie sechseinhalb Jahre das Gesicht Berlins und war dort als Abteilungsleiterin für Städtebau und Architektur zuständig.
taz: Frau Luther, Sie werden sicherlich schon durch Bremen gebummelt sein, was hat Ihnen besonders gefallen oder nicht gefallen?
Das kann ich noch nicht sagen, da ich bis heute nur Stippvistiten gemacht habe.
Sie werden als Anhängerin einer eher nüchternen Architektur gehandelt. Angeblich sollen Sie gesagt haben, ein Haus dürfe nicht eitel sein. Bremen schmückt sich aber mit einer Reihe von prunkvollen Bauten.
Ein Haus ist Teil einer Stadt, und Stadt ist Ausdruck von Gemeinschaft. Es gibt Punkte in der Stadt, an denen Häuser sich durchaus besonders darstellen können, wenn es die Funktion gebietet, um Aufmerksamkeit zu erregen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, daß ein Haus sich ins Gesamtbild fügen sollte.
Auf dem Marktplatz steht das Rathaus, das von 1405 bis 1409 erbaut worden ist. Schräg gegenüber steht das Haus der Bürgerschaft, ein Spiegelbau, den der Architekt Wassili Luckhard entworfen hat und der 1966 eingeweiht worden ist. Dieser krasse Gegensatz ist damals vom Bund Deutscher Architekten scharf kritisiert worden. Die CDU wollte den Bau sogar stoppen. Finden Sie, daß die Glasfront des Parlaments gut zu den historischen Bauten des Doms und desRathauses paßt?
Der Spiegelbau war historisch gesehen eine besondere Leistung, weil sich die Architektur völlig zurücknimmt. Das war damals eine große Provokation. Das Gebäude und damit der Bremer Marktplatz ist in der Fachwelt bis heute dafür berühmt.
Moderne und historische Architektur prallen hier aber aufeinander. Gefällt Ihnen das?
Das ist ein Stück Geschichte. Heute könnte ich mir auch andere Lösungen vorstellen. Aber, ich kann damit leben.
Gibt es in Bremen auch Dinge, mit denen Sie nicht leben können und die sie am liebsten abreißen würden?
Wenn ich könnte, würde ich diese Hochstraßen wieder beseitigen. Das ist für mich ein wenig gelungenes Beispiel für Verkehrsplanung.
Wer hat Sie eigentlich gefragt, ob Sie nach Bremen kommen ?
Der Senator.
Woher kannte der sie?
Ich nehme an, aus Empfehlungen.
Mit welchen Vorsätzen sind Sie nach Bremen gekommen?
Ich möchte, daß Bremen sich seiner spezifischen Qualitäten besinnt. Die Stadt muß wieder mit dem Wasser verknüpft werden, weil es ein strukturelles Thema aller europäischen Hafenstädte ist. Das ist ein wichtiges und ernstzunehmendes Thema, da sich europäische Hafenstädte in einem großen Umstrukturierungsprozeß befinden, in dem Arbeitswelt und Verkehrsfunktionen sich verlagern.
Wenn Sie an der Weser spazieren gehen, was würden Sie ändern?
Plätze und Wege mit Aufenthaltsqualität schaffen, die die Menschen zum Verweilen einladen. Kluge Kozepte sind zu entwickeln, um Anreize für Ansiedlungen zu schaffen, die Wohnen und Arbeiten mit großer Standortqualität beinhalten.
Apropos wohnen und arbeiten, haben Sie eigentlich schon eine Wohnung in Bremen gefunden?
Nein, ich habe mir zwar schon mehrere Wohnungen angesehen, aber es hat mir bisher noch nichts zugesagt.
Was schwebt Ihnen denn vor?
(Luther lacht)
Vorne Kuhdamm, hinten Ostsee. Das hat sich ja auch schon Tucholky gewünscht. Ich bin leidenschaftliche Städterin und möchte natürlich mittendrin sein. Im Moment pendele ich von Hamburg nach Bremen. Mein Mann lebt in Hamburg. Aber ich will auf jeden Fall hierher ziehen, um den Atem und den Pulsschlag der Stadt zu spüren. Das ist die Voraussetzung für meine Aufgabe und ist auch besonders reizvoll an meinem Beruf. Ich habe in vielen unterschiedlichen Städten gelebt, in Hannover, Hamburg, Lübeck, in Berlin und jetzt demnächst in Bremen. Es ist schon interessant, wie unterschiedlich die Städte sind.
Wie unterscheidet sich Bremen von anderen Städten?
Bremen ist eine Stadt mit über 500.000 Einwohner und gebärdet sich nach erstem Eindruck relativ kleinstädtisch. Ich will das auch nicht negativ verstanden wissen.
Gewinnt Bremen dadurch oder verliert es?
Bremen hat große Qualitäten, aber sie dringen nicht genügend nach außen. Das ist etwas sehr Hanseatisches, das man auch in Lübeck und Hamburg findet. Die Leute reden nicht über ihre Besitztümer, sondern sie haben es einfach und gehen damit sehr selbstbewußt um. Sie brauchen sich nicht nach außen zu verkaufen. Andere Städte sind viel marktschreierischer.
Sehen Sie das auch als ihre Aufgabe an, Bremen nach außen hin künftig besser zu verkaufen?
Verkaufen würde ich das nicht nennen. Ich würde die Stadt aber schon ein Stück mehr darstellen wollen. Bremen hat einfach viele Qualitäten, und es ist ja auch nicht zu verleugnen, daß Städte in Konkurrenz zueinander stehen. Bescheidenheit zahlt sich nicht immer aus. Auch in der Fachwelt wird Bremen kaum beachtet. Dabei hat Bremen wunderbare neue Gebiete, die wirklich interessant sind: Der Flughafen zum Beispiel – das ist doch ideal, ein stadtnaher Flughafen mit Straßenbahnanschluß. Ein kluges städtebauliches Konzept, das aber außerhalb Bremens wenig bekannt ist.
Zum Fortschritt gehört für Sie auch, die Bürokratie zurückzufahren und mehr Anreize für private Investoren schaffen...
Ja, das ist aber kein spezifisch bremisches Problem. Das ist eine generelle Aufgabe aller deutschen Kommunen.
In Bremen hat das aufgrund der prekären Finanzlage aber schon seltsame Blüten getrieben. In Vegesack, soll beispielsweise auf einem der wertvollsten Ufergrundstücke ein Supermarkt gebaut werden, weil es einen privaten Investor gibt, der das bezahlt. Macht sich die öffentliche Hand auf diese Weise nicht ein Stück weit erpreßbar?
Ich kenne diesen konkreten Fall nicht. Wenn man kein Geld hat, kann man allerdings nicht immer Höchstleistung verlangen. Das ist sicherlich ein Problem.
Sie haben in Berlin sechs Jahre lang das Gesicht der Hauptstadt modelliert und die Stadt schweren Herzens verlassen...
Das hat immer zwei Seiten. Natürlich war ich gern in dieser Stadt. Trennung fällt immer schwer, aber das Angebot Staatsrätin in Bremen zu werden kam zu einer Zeit, als das Ende dieser Ära erkennbar wurde.
Ihre Abteilung sollte geschlossen werden. Sie haben sich darüber beklagt, daß Sie nach sechs Jahren von der Stadt mit einer lapidaren Erklärung abgefertigt worden seien. Diese Entscheidung wollten Sie „nicht hinnehmen“.
Das ist wohl wahr, Verwaltungsreform ist immer dann schmerzhaft, wenn es einen selber trifft. Denn das war der Anlaß für die Auflösung.
Es wird behauptet, Sie wären zwischen den Interessen der SPD und CDU zerrieben worden.
Das ist völliger Blödsinn. Der Senator wollte nur den Auflagen der Verwaltungsreform gerecht werden. Das ist es.
Es hat aber im Vorfeld der Entscheidung, ihre Abteilung zu schließen, eine Menge Wirbel gegeben. Der Architekt und Bundestagsabgeordnete Peter Conradi (SPD) hat sie scharf kritisiert. Er hat gesagt, die karge Bauweise Berlins entstammte aus einer aus Unsicherheit geborenen Sehnsucht nach durch die Nazi-Zeit historischbelasteten neoklassizistischen Protzarchitektur.
Die Auflösung der Abteilung hatte nichts mit der Auseinandersetzung mit Peter Conradi zu tun. Conradi kritisierte die architektonische Auffassung zur Gestaltung der Hauptstadt. Er konnte nicht verkraften, daß er die Führerschaft als Architekt der Bundesplanung aufgeben mußte. Bonn hat er sehr stark mit entworden. In Berlin traf er auf selbstbewußte Planer, so daß es zu einer fachlichen Auseinandersetzung kam.
Sie sind ja die erste Frau als Staatsrätin...
Ich war in meinem Berufsleben immer die Erste. Im übrigen ist meine Profession in den Führungspositionen männlich dominiert. Und Bremen geht jetzt beispielhaft voran.
Das Gespräch führten die taz-Redakteure Kerstin Schneider und Jens Tittmann
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