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Wirtschaftswissenschaftler werben für den Euro

■ SPD-Spitzenpolitiker Voscherau will am liebsten die Währungsunion verschieben

Berlin (taz) – Während im Bonner Finanzministerium fieberhaft gerechnet wird, ob die Bundesrepublik Ende dieses Jahres bei der Einführung des Euro mit von der Partie sein wird, stellten gestern 58 Wirtschaftsprofessoren einen Zehn-Punkte-Appell „wider die Euroskepsis“ vor. Dem Kreis gehören unter anderem das Ex-Direktoriumsmitglied der Bundesbank, Claus Köhler, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Lutz Hoffmann, und das Zentralbankratsmitglied Hans-Jürgen Krupp an.

„Natürlich gibt es bei uns keine einheitliche Meinung“, so Köhler, aber die Zahl der Unterzeichner des Aufrufs beweise, daß die Wirtschaftswissenschaftler nicht so euroskeptisch seien, wie es dargestellt werde. „Für eine Verschiebung der Währungsunion gibt es keinen Grund“, sagte Köhler, starre ökonomische Kriterien allein seien untauglich, die Euroeinführung zu verschieben.

Ganz anders ließ sich Hamburgs wahlkämpfender Bürgermeister Henning Voscherau in der Eurofrage vernehmen. In einem Zeitungsinterview plädierte der SPD- Finanzexperte für eine Währungsunion, der aber eine politische Reform der Europäischen Union (EU) vorausgehen müsse – und nicht umgekehrt: „Der Euro muß nicht 1999 kommen.“

Voscherau kritisierte die mangelhaften demokratischen Strukturen der EU: „Eine einheitliche europäische Währung sollte es nur geben, wenn die Vertiefung der demokratischen Union Europas gelingt.“ So sei die EU-Kommission nicht gewählt, zudem beruhe das Europäische Parlament nicht auf gleichartigen Wahlen in allen 15 EU-Mitgliedstaaten.

Er schlug vor, im kommenden Jahr seitens der EU-Staats- und Regierungschefs einen „Zielkatalog“ für die demokratische Reform der EU bis zum Jahr 2007 zu verabschieden – nur unter dieser Voraussetzung könne seine Partei dem Euro zustimmen.

Zugleich kritisierte Voscherau die bislang überwiegend eurofreundliche und „kurzsichtige“ Haltung seiner sozialdemokratischen Partei: „Warum sie sich entschlossen hat, Helmut Kohl vorab und auf dem goldenen Tablett ein Ja um jeden Preis zu offerieren, ist mir unerfindlich.“ JaF

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