: Da waren's nur noch zehn
■ Freispruch für sechs von sechzehn Polizisten. Daß die Beamten ihre Kollegen bei Mißhandlungen beobachteten, konnte laut Gericht nicht nachgewiesen werden
Im Großverfahren gegen sechzehn Polizisten lichten sich die Reihen. In einem ersten Teilurteil hat das Amtsgericht gestern sechs Beamte freigesprochen. Es folgte damit einem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Polizisten des 1. Zuges einer Direktionshundertschaft waren wegen Strafvereitelung im Amt angeklagt. Es sei nicht nachgewiesen worden, daß sie Mißhandlungen durch Kollegen gedeckt hätten, hieß es zur Begründung.
In keinem der Fälle konnte nach Auffassung des Gerichts mit Sicherheit festgestellt werden, daß die sechs Angeklagten Mißhandlungen durch Kollegen beobachtet, aber nicht angezeigt haben. Ein festgenommener Pole soll in einem Mannschaftswagen geschlagen worden sein, was in dem Durcheinander aber niemand unbedingt gesehen haben müsse, argumentierte Amtsrichter Hagen Sendt. In einem weiteren Fall hatte das mutmaßliche Opfer selbst ausgesagt, gar nicht geschlagen worden zu sein. Dagegen wollte der Kronzeuge, der 23jährige Polizeimeister Christian M., in beiden Fällen Kollegen beim Schlagen gesehen haben. Er vermochte aus der Erinnerung heraus aber nicht mehr zu sagen, welcher Kollege es war. Aufgrund des langen Zeitraums, der seit den Taten 1993 bis Anfang 1994 verstrichen ist, verwies der Zeuge auf seine früheren Aussagen. Die Verteidigung versucht den zum Teil sehr unsicher wirkenden Mann als unglaubwürdigen Spinner darzustellen. Das Gericht bewertete die Aussage von Christian M. im gestrigen Teilurteil noch nicht.
Schließlich wurden zwei Polizisten freigesprochen, die in Diensträumen einen Videofilm mit den Gewaltszenen von einem Polizeieinsatz angeschaut haben sollen, den einer der beteiligten Beamten in der Silvesternacht 1993/94 mit seiner Kamera drehte. Zugunsten der Angeklagten ging das Gericht dabei von ihrer Darstellung aus, daß sie gedöst oder die Toilette aufgesucht hätten. Auch der Film, ein weiteres Hauptbeweismittel, soll erst im Urteil gegen die übrigen Beamten bewertet werden.
Grundsätzlich vertrat das Gericht die Auffassung, daß Polizisten Straftaten von Kollegen anzeigen müssen, auch wenn zunächst keine Personen konkret zu erkennen seien. Die Verteidigung hatte argumentiert, daß es eine entsprechende Verpflichtung nicht gebe. Es wäre geradezu sinnwidrig, so Richter Sendt, wenn Beamte, die Straftaten aufklären müssen, im Fall von Kollegen schweigen dürften.
Der Prozeß gegen die verbliebenen zehn Angeklagten wegen Körperverletzung und Strafvereitelung wird morgen fortgesetzt. taz/dpa
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