piwik no script img

Doppelt bestraft

■ Von den Nazis verfemte Komponisten in der Galerie Rabus

Musik soll in erster Linie durch Rhythmus körperliches Wohlbehagen, ja sogar Ekstase erzeugen“: der Komponist und Klaviervirtuose Erwin Schulhoff, 1894 in Prag geboren, war einer der glänzendsten Komponisten der zwanziger Jahre. Er starb 1942 im Internierungslager Wülzburg, und andere, unter ihnen der Janacek-Schüler Pavel Haas und Gideon Klein komponierten im tschechischen Vorzeigelager Theresienstadt. Auch wenn ihre zunächst vergessenen Werke heute recht gut dokumentiert sind, hat ein Konzert noch immer einen großen Informationscharakter. Umso mehr, wenn „Vergessene Komponisten – Musik aus Theresienstadt“von so fabelhaften InterpretInnen gespielt wird wie dem Freiburger Ensemble Aventure in der gut besuchten Galerie Katrin Rabus. Zudem hatte Hartmut Lück einen kenntnisreichen Vortrag gehalten, durch den noch einmal der Zynismus der Nazis durch die „Unterstützung“der Künstler deutlich wurde. „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“: so wurde Theresienstadt als Propaganda mißbraucht. Am Ende gingen alle in die Gaskammern.

Obschon der Titel des Konzertes so nicht stimmte – nur ein Werk, die 1943 entstandene „Sonata pro Klavir“von Gideon Klein – ist wirklich in Theresienstadt komponiert, so lassen sich die anderen Stücke doch unter diesem Titel vertreten: sie sind im Falle Pavel Haas vor Theresienstadt entstanden, im Falle Erwin Schulhoff schon 1926. Und Stefan Wolpe emigrierte und schrieb 1939 jene zutiefst politische Suite für Oboe und Klavier, in der er 1939 einen alttschechischen Choral und ein hussitisches Kampflied verarbeitet, ehe sie mit einem ergreifenden Klagegesang endet.

Auffällig in den Werken dieses Abends ist ihre große stilistische Eigenständigkeit, ihre Unabhängigkeit von dodekaphonischen Vorgaben, auch ihre Verwurzelung in volkstümlichen Traditionen. Das Ensemble Aventure – mit Martina Roth, Flöte, Christian Hommel, Oboe, Walter Ifrim, Klarinette, Volker Grewel, Horn, Wolfgang Rüdiger, Fagott und Thomas Günther, Klavier – bot eine regelrecht mitreißende Bandbreite völlig unterschiedlicher Ausdrucksgesten: die klagende und insistierende Expressivität von Pavel Haas, die dramatische Verzweiflung von Gideon Klein, die geschliffene Ironie in den Jazzrhythmen Erwin Schulhoffs und die dichte Klangsinnlichkeit von Stephan Wolpe. Kein Wunder also, daß die vom Faschismus verfemten Komponisten nach dem Krieg ein zweites Mal bestraft wurden; diesmal mit Ignoranz: eine Kahlschlag-Generation erwartete eben eine karge Ästhetik. Ihre Wiedergutmachung erfolgte erst Anfang der 90er Jahre.

Die virtuos-sprechende und perfekte Kommunikation der Freiburger Musiker begeisterte anhaltend.

Ute Schalz-Laurenze

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen