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SPD: Wanzen dürfen kommen

■ SPD-Parteirat billigt Verhandlungsergebnis zum Lauschangriff. Einzelpunkte sind noch umstritten. Lafontaine zur Wirtschaft: Jedem Sozialhilfeempfänger soll ein Job angeboten werden

Bonn (dpa) – Nach kontroverser Diskussion hat der SPD-Parteirat gestern die Vereinbarung von Koalition und Sozialdemokraten über elektronische Abhörmaßnahmen grundsätzlich gebilligt. Das Gremium aus den Landes- und Bezirksvorsitzenden habe das Verhandlungsergebnis mit großer Mehrheit zustimmend zur Kenntnis genommen, teilte der Parteiratsvorsitzende, Rüdiger Fikentscher, nach der Sitzung in Bonn mit. Die Teilnehmer erwarteten jedoch, daß im Zuge der weiteren parlamentarischen Beratungen noch mehr Klarheit über umstrittene Einzelpunkte geschaffen werde.

Die Kritiker des Lauschangriffs in der SPD, wie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Juristen, Klaus Hahnzog, argumentierten in der Sitzung, die vorgesehene Regelung verstoße gegen frühere SPD-Parteitagsbeschlüsse. Einzelne Punkte seien in der jetzigen Form rechtsstaatlich fragwürdig. SPD-Parteivorstand und die Mehrheit der Bundestagsfraktion unterstützen das Ergebnis zum Lauschangriff. Der Lauschangriff erlaubt das Abhören von Privatwohnungen, wenn der Verdacht auf eine schwere Straftat vorliegt. Wegen der Brisanz des Vorgangs hatte die SPD-Führung viele Parteiratsmitglieder für die Teilnahme an der Sitzung mobilisiert, um den Gegnern des Lauschangriffs nicht zu stark das Feld zu überlassen. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder war nach längerer Zeit wieder zu einer Parteiratssitzung gekommen.

Lafontaine erteilte kostspieligen Ausgabeprogrammen nach einem Sieg seiner Partei bei der Bundestagswahl eine Absage. „Unfinanzierbare Wahlversprechungen“ werde es mit der SPD nicht geben, betonte er in einem Grundsatzpapier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik. Das SPD-Regierungsprogramm stehe unter Finanzierungsvorbehalt. Die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre werde die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sein. „Aufgrund der großen finanziellen Erblast, die die jetzige Bundesregierung hinterläßt, führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Die Ansprüche an den Staat müssen zurückgenommen werden“, erklärte Lafontaine.

Dazu gehöre auch, daß die „Zielgenauigkeit des Sozialstaats“ durch mehr Selbstverantwortung und Selbstvorsorge des einzelnen gestärkt werde. Eine SPD-geführte Regierung werde dafür sorgen, daß jedem arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger eine Beschäftigung angeboten wird, gegebenenfalls auch eine Umschulung oder Weiterbildung. Wer dann eine zumutbare Arbeit ablehne, verwirke seinen Anspruch auf Unterstützung.

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